steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

15. Glocknerkoenig 2010, das Rennen

Sonntag 6.6.2010

3:21 Uhr. Oje, das fängt ja gut an! Zwar konnte ich in Bruck noch nie gut schlafen, egal in welchem Hotel oder Zimmer, aber halb vier ist ja nun wirklich keine Zeit zum Aufwachen. Zu allem Übel ist auch noch die Nase komplett zu.

Da ich nicht richtig wieder einschlafen kann, mache ich mir einige Gedanken zur Renntaktik. Vielleicht ist es klug bis zur Mautstelle unter 45 Minuten zu fahren, eher so 40 Minuten, damit ich vor dem Start der Kurzstreckler (Glocknerkönig light) da durch bin, sonst komme ich noch ins Gewühl? Naja aber letztlich bin ich vor zwei Wochen eh immer am Anschlag gefahren, also habe ich gar keine Luft zum Taktieren.
Rumdrehen weiterschlafen. 4:15 Uhr die Nase nervt, ich bin eigentlich durchaus müde, aber so richtig einschlafen kann ich nicht mehr. Ich esse ein paar Reiswaffeln und döse bis das Handy Alarm gibt 5:10.

5:30 Frühstück. Viel Hunger habe ich nicht, ein Müsli und zwei Käsebrote gehen aber rein. Ich verzichte auf Kaffee, Coffein ist Doping, und ich solidarisiere mich gerne mit dem Slogan von quaeldich.de „Berge statt Doping“. Aber Kamillentee ist sowieso mein Leibgetränk…

Nachdem ich noch etwas im Hotelzimmer vor mich hingedöst habe geht es um 6:30 so langsam in Richtung Startbereich. Die ersten zwei Startblöcke sind für die Schnellen aus den Vorjahren reserviert, Startblock 1 für die, die unter 1:30 Stunden gefahren sind, und Startblock 2 für die, die unter 2:00 Stunden gefahren sind.
Ich gehöre natürlich in den Startblock 3, wo der Rest fährt. Und da stehe ich auch nicht gerade vorne, was aber letztlich egal ist, da die Zeitmessung erst startet, wenn man die Startlinie überquert, der einzige Nachteil ist also, dass man im Gewühl steht.

Der Moderator sagt immer mal die Minuten bis zum Start an, und man hat Gelegenheit die anderen Räder anzuschauen, oder kurz mal seine bereits geleisteten Trainingskilometer dieses Jahr in die Runde zu werfen. Meine Theorie ist, die Wahrheit liegt am Berg, alles andere ist eh Wurscht.

Aus den Boxen dröhnt neben dem Moderator auch noch ordentliche Rockmusik, zum Glück also kein HipHop/House oder Aprés Ski Müll. Sehr angenehm. Als es noch 5 Minuten sind rücken alle plötzlich nach vorne, und dann spürt man endlich, dass es jetzt gleich losgeht, ein Fuß eingeklickt, ungeduldiges Wiegen des Rades, bei Pferden würden man wohl von scharrenden Hufen sprechen.

Noch 2 Minuten, und der Moderator spielt Hells Bells von AC/DC. Der erzählt zwar was von den Glocken von Bruck, aber das ist so geil, dass die hier extra für mich AC/DC spielen. Das wird heute richtig gut, auf einmal fühle ich mich richtig stark, von wegen schlecht geschlafen, Nase zu, zu wenig trainiert, alles egal, ich will jetzt endlich diesen verdammten Berg hochgeißeln.

Dann ist es soweit, der Startschuss fällt. Es dauert trotzdem noch ein, zwei Minuten, bis sich auch unser Pulk in Bewegung setzt. Zwar ist es schon recht voll, aber alle fahren völlig vernünftig, ist alles überhaupt kein Problem.

Die ersten Kilometer bis zum Bärenwerk kurz hinter Fusch sind ja recht flach, und so wird zunächst ein erstaunlich hohes Tempo gefahren. Ich versuche zunächst „mein Tempo“ durchzufahren, ist aber völliger Quatsch, denn dann kriege ich überhaupt keinen Windschatten. Also hänge ich mich immer wieder an verschiedene „Züge“ dran, und ich muss sagen das macht tierisch Spaß.

2810 Teilnehmer sind es laut Moderator dann doch geworden, und so findet man immer eine Gruppe mit der man sich nach vorne beamen kann. Ab und ein Blick auf den Powermeter, und da steht ganz oft 300 und mehr, ich bekomme schon Angst ich überziehe. Allerdings macht es auch Spaß schon mal ordentlich zu überholen, allerdings werde ich auch von etlichen überholt, manche fahren so schnell, dass ich mich frage ob die wissen, dass da noch ein Berg kommt. Aber wenn man unter 1:30h bleiben will, dann muss man natürlich auch hier schon ordentlich was gut machen. Mein Ziel ist ja deutlich bescheidener, nämlich unter die top eintausend zu kommen, d.h. so ca. 2:30h

Nach fünf Kilometern habe ich zwar Spaß ohne Ende, aber auch Schmerzen, wo man sie als Mann überhaupt nicht haben will. Hatte ich noch nie. Mir schießt nur durch den Kopf, dass Lance Armstrong mit (überstandenem) Hodenkrebs die Tour de France gewonnen hat, da werde ich wohl den verdammten Glockner hier hochkommen, egal was weh tut.

Nach ca. 10 Kilometern ist es dann vorbei mit flach, und es geht in den Berg. Und was jetzt kommt kann ich noch gar nicht fassen. Ich fahre kleine Gänge, und kann meine Trittfrequenz gut in den 80ern halten, was mir vor vierzehn Tagen überhaupt nicht gelungen ist. Und ich fahre einfach an den anderen vorbei. Die Kilometer bis zur Mautstation ist mit das geilste was ich je sportlich gemacht habe. Es fühlt sich an wie beim ersten Pass den ich je gefahren bin, da habe ich zu meiner Überraschung etliche „richtige“ Rennradler überholt. Und jetzt ist es so, dass mich bis zur Flachstelle kurz vor der Mautstation genau 3 (drei) Radfahrer überholen. Und an den anderen 500 fahre ich einfach vorbei (Anmerkung der Redaktion: die richtig Schnellen waren in den Startblöcken vor mir…).

Die Beine fühlen sich so gut an, ich kann es gar nicht glauben. Im Gegensatz zu sonst interessiert mich die Landschaft überhaupt nicht, ich kurbele einfach mein Ding durch, und dass mein Tempo deutlich über dem der meisten anderen liegt ist enorme Motivation. Und so schaffe ich die 40 Minute Marke, die ich mir heute Nacht gewünscht hatte locker, und hoffe jetzt nur noch, dass ich im jetzt kommenden schweren Abschnitt nicht komplett einbreche. Irgendwie werde ich mich schon hoch kämpfen.

Und es geht tatsächlich zunächst richtig gut weiter. Zwar ist es nicht mehr so, dass ich einfach an den meisten vorbeifahre, aber ich bewege mich auf jeden Fall schneller als die Haupströmung. Es gibt so drei vier Radler, die ich immer wieder sehe, d.h. mal sind die schneller und überholen mich, dann wiederum ist es umgekehrt. Wobei ich die ersten Kilometer nach der Mautstation recht konstant meine Trittfrequenz durchziehen kann (im kleinsten Gang bin ich sowieso).

Dadurch, dass ich bis auf Ausnahmen nicht auf die Landschaft achte, vergehen die Kilometer viel schneller als die letzten Male wo ich hier alleine gefahren bin. Nach ca. 17 Gesamtkilometern kam vor zwei Wochen die Stelle, wo es sich so zäh angefühlt hat. Auch jetzt merke ich, dass es jetzt hier schwerer wird, aber ich versuche einfach durchzuziehen, was zum Teil auch gelingt. Trotzdem fällt die Trittfrequenz teils auf unter 70 ab. Allerdings erhole ich mich auch wieder und versuche jedesmal wenn der Körper schwach werden will hochzuschalten und im Wiegetritt richtig draufzuhalten.

Die Lance Armstrong Schmerzen werden mittlerweile von einem ordentlichen Ziehen im unteren Rücken überlagert, aber irgendwann ist beides kein Thema mehr. Und als die 2000Metermarke überschritten ist, habe ich nach einem Blick auf den Radcomputer die fixe Idee, dass ich die zwei Stunden Marke knacken könnte. Und auch wenn der Weg noch lang ist. Die visualisierte 1000, die ich mir als Motivationshilfe erdacht hatte, taucht nicht mehr auf. Das Ziel heißt jetzt „unter 2 Stunden“.

Die drei vier Radler, die ich immer wieder gesehen habe, scheinen sich jetzt doch deutlich von mir abgesetzt zu haben, und jetzt kommt nochmal ein richtig steiles Stück, und in der Höhe brennt die Lunge etwas, da ich doch mehr im Grenzbereich fahre wie gewöhnlich. Aber auch das geht dann doch relativ gut, und als die Steigung wieder auf 10% nachlässt spüre ich deutlich wie wieder Kräfte zurückkehren. Ein Energiegel hatte ich mir vor der Mautstation reingezwängt, ein weiteres brauche ich jetzt auch nicht mehr, zumal mein modifiziertes Carboloading mit Gröstl und Semmelknödel ja zu funktionieren scheint.

Und dann kann man endlich das erste mal das Fuscher Törl sehen. Zwar ist es dann noch sehr lange, aber da ich die Strecke schon kenne und darauf eingestellt bin, ist es eindeutig motivierend. Mittlerweile schaue ich nicht mehr auf das Powermeter, denn noch immer steht da meist was zwischen 250 und 300 Watt, was ja nicht funktionieren kann.

Ich merke schon, dass ich mich recht nah am Limit bewege, will aber die zwei Stunden unbedingt knacken, und als ich die mir bekannten Radler, die schon entschwunden schienen wieder näher kommen sehe, funktionieren die Beine auf einmal wieder recht gut. Und dann fällt mir ein, dass ich ja jetzt ans Limit gehen kann/muss, da das Rennen ja am Fuscher Törl vorbei ist, und nicht etwa bis zum Hochtor geht. Also versuche ich weiter draufzuhalten.

Noch zwei Kehren! Ich kanns kaum fassen, ich bin mir sicher die zwei Stunden Marke zu knacken, jetzt heißt es rausholen was geht. Während einige die letzten paar hundert Meter mit letzter Kraft schleichen, versuchen andere noch einen Zielsprint. Ich entscheide mich für die letzte Variante, denn a) sind die Beine noch gut (irgendwie jedenfalls), und b) kann man so noch ein, zwei Plätze gut machen und c) sieht es natürlich besser aus!

Allerdings ziehe ich meinen Zielsprint deutlich zu früh an, und schnell habe ich das Gefühl meine Beine explodieren. So gehe ich ein paar Sekunden zurück in den Sattel, und beschließe dann, scheißegal, gib alles. Und genau das versuche ich dann auch, und fahre so standesgemäß mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht über die Ziellinie. Mein Radcomputer zeigt 1:55:13h!

Unfassbar! Einfach nur geil! Vor vierzehn Tagen habe ich mir hier gefroren und habe alleine für den zweiten Teil 1:35h gebraucht, jetzt stehe ich hier bei strahlendem Sonnenschein und habe gerade den Glocknerkönig unter zwei Stunden gemeistert. Glücksgefühl strömt durch den ganzen Körper…

Eine fesche Österreicherin hängt mir die Glocknerkönig Medaille um, und es gibt herrlich übersüßten Tee. Ich genieße etwas das Getümmel im Zielbereich, und mache mich dann auf zum wohlverdienten Kaiserschmarrn.

Traumhaft, mit Tee und Kaiserschmarrn sitze ich hier oben und kann mir die Radfahrer anschauen die noch am Berg kämpfen. Was für ein Wettkampf. Ich denke für die besten 1000 hat es auf jedenfall gereicht, aber das weiß ich natürlich erst wenn die offizielle Ergebnisliste vorliegt, und vor allem meine Zeit von der offiziellen Zeitmessung bestätigt ist.

Glücklich über das erreichte macht die Abfahrt dann natürlich richtig Spaß. Bis über die Hälfte des zweiten Streckenabschnittes oberhalb der Mautstation fährt man an einem langen Strom kämpfender Radler vorbei. Zwei Handbiker sehe ich, die sich nur mit der Kraft ihrer Arme die Strecke hochquälen, Respekt! Und ein Radler hat tatsächlich einen Anhänger mit Kind dabei. Ich finde der müsste ein Sonderwertung kriegen.

Interessant ist, dass genau wie bei den Radlern um die zwei Stunden auch bei denen die jetzt noch kämpfen alle Kategorien und Preisklassen von Rennrädern und auch MTBs zu finden sind. Als die Mautstation passiert ist, gebe ich nochmal ein bisschen Gas, um dann in der Höhe von Fusch auszurollen, und die letzten Kilometer zum ausfahren zu nutzen. Der Zielsprint ist in den Beinen doch deutlich zu spüren…

Dabei kann ich noch ein paar Worte wechseln mit dem ein oder anderen, der ebenfalls auf der Abfahrt ist, und so geht es relaxt zurück zum Hotel.

Nachdem ich wieder einigermaßen frisch bin, schlendere ich nochmal zum Stand von Zweirad-Stadler, ich habe tierisch Lust irgendwas zu kaufen, und außerdem kann man dort E-Bikes ausprobieren. Das Teil, das ich probefahre macht enorm Spaß, die Beschleunigung ist schon irre. Einfach einen großen Gang drin lassen und dann Feuer. Leider stellt das Ding bei 25 km/h die Unterstützung ein, so dass es für dauerhaftes schnell fahren nicht so geeignet ist. Aber der Spaßfaktor beim Beschleunigen ist groß.

Um zwei startet dann der Siegerehrungsmarathon, da es doch einige Klassen gibt, die gewertet werden. Meine offizielle Zeit ist letztlich 1:54:43h

Damit bin ich bei den Herren 485., bei den Damen hätte es für Platz 15 gereicht. D.h. Von den 2810 Startern insgesamt bin ich 499. geworden. Also statt Top 1000 ist es die Top 500 geworden. Für einen Reiseradler nicht so schlecht… (Der Sieger ist übrigens 1:19h gefahren)

Glocknerkönig und Glocknerkönigin 2010:

Nach dem das Spektakel vorbei ist, gibt’s erst mal irgenwas mit Semmelknödel, dann geht’s ins Bett, und Abends wird einfach nur noch gegessen und getrunken.

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2 Kommentare

  1. Anonymous 23. Januar 2012

    super gemacht, ich freue mich auf dieses Jahr 2012

  2. Guido 23. Januar 2012

    Hallo, vielen Dank. Ich freue mich auch schon auf dieses Jahr (2012). Ich hoffe dann ein bisschen näher and die 1:40 dranzukommen.

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