steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

24h Nürburgring – Das Rennen

Obwohl der Wind nachts heftig am Wohnmobil gerüttelt hat habe ich gut geschlafen. Auf dem Weg zum Frühstück müssen wir feststellen, dass doch einige Zelte und Vorzelte nicht mehr da sind. Bestenfalls mussten die Besitzer die Teile hektisch wegpacken. Das ein oder andere ist wohl wegen des starken Windes auch selbst auf Wanderschaft gegangen.

Jetzt hat sich das Wetter aber wieder beruhigt. Nach einem Kamillentee und Brötchen in der Cafeteria lege ich mich nochmal hin. Da kommt eine Email von der Rennleitung, dass wir die Transponder tauschen müssen und dass die Fahrerbesprechung in andere Räumlichkeiten verlegt wurde. Außerdem behauptet jemand der Start würde verschoben. Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, das Wetter ist doch jetzt einigermaßen ok.

Fahrerbesprechung

Fahrerbesprechung

Peter begleitet mich zur Fahrerbesprechung, es gibt neue Transponder und dann tatsächlich die Ansage, dass das Rennen um 3 Stunden verschoben wird. Ich bin echt sauer. Rennradfahren ist ein Outdoorsport. Die äußeren Bedingungen sind Teil des Sports, gerade auf Ultradistanzen kommt es zum Tragen, dass der eine besser bei Hitze kann, der andere bei niedrigen Temperaturen, und wieder ein anderer kann eben am besten mit Regen und Wind umgehen. Da kann man doch nicht durch eine Rennverschiebung zu Gunsten der Schönwetterfahrer eingreifen.

Vor allem beruht die Verschiebung rein auf einer Vorhersage. Statt einfach zu starten und, falls die Bedingungen tatsächlich irregulär oder gefährlich werden, ggf. zu unterbrechen. Enttäuscht lege ich mich wieder schlafen.

Nach dem Aufstehen erläutere ich meinem Team die geplante Nahrungsversorgung, die prinzipiell ja nur aus Sponser Competition und Ensure Plus besteht. Aber diesmal habe ich auch gleich O-Saft in der Hinterhand und natürlich einfach Wasser.

Ich fahre nochmal eine Testrunde auf dem Grandprixkurs und fühle mich gut. Dann kommt die Meldung, dass der Start erneut verschoben wird. Ich kann’s nicht verstehen. Wirklich nicht. Ich überlege ob ich nach Hause fahre, das ist mir wirklich zu albern. Die Bedingungen sind völlig ok, es regnet halt ab und zu ein bisschen, die Windböen sind völlig im Rahmen. Ich bin schon bei Böen von 100 km/h die Abfahrt vom Pico Veleta heruntergefahren, wenn man will bleibt man auch auf dem Fahrrad, man muss halt langsamer fahren. Hier ist aber eigentlich völlig normal schlechtes Wetter.

Ich bin wirklich frustriert und missmutig. Wenn ich in die Top 20 fahren will brauche ich schlechtes Wetter und das Rennen muss möglichst lange sein. Jetzt ist das hier nur noch ein 17 Stunden Rennen, da werden mir die leichten Bergziegen einfach „wegsprinten“. Ich weiß noch nicht welche Rundenzeiten ich fahren kann, bin ja noch nie über die Nordschleife gefahren, aber wahrscheinlich wird es nach der zweiten oder dritten Runde so um 1:10 h pendeln. Damit komme ich nicht weit.

Andererseits sind 15 Runden immer noch 8700 Höhenmeter. Das reicht ja irgendwie auch. Vielleicht kommt das meinen Knien sogar entgegen. Anyway, ich lege mich wieder schlafen.

Als ich aufwache habe ich gar keine Lust mehr zu fahren. Ich wünsche mir fast, dass das Rennen abgesagt wird. Die ganzen Jedermannrennen sind ja schon abgesagt worden. Ich verzichte auf ein erneutes Warmfahren. Stattdessen versuche ich zu akzeptieren, dass zu den äußeren Bedingungen eines Rennes auch das Verhalten der Veranstalter und Verschiebungen, Streckenumleitungen oder Kürzungen gehören. Die Fahrer die am besten damit zurechtkommen sind die, die am besten abschneiden werden. Also nicht jammern, sondern kämpfen!

Ich überlege welche Klamotten ich anziehen soll. Es ist hier am Fahrerlager recht kalt, aber wenn ich auf der Strecke am fighten bin wird es natürlich schnell warm. Kurz/kurz scheint mir angemessen, aber wir starten ja erst um 20 Uhr, so dass die Nacht nicht lange auf sich warten lässt und ich möchte natürlich nicht anhalten müssen um mich umzuziehen.

Letztlich rolle ich mit kurzen Hosen aber Armlingen und sogar einer Weste um zwanzig vor Acht in Richtung Startaufstellung. Man muss eine Weile anstehen bis man in den Startblock gelangt, erst müssen noch die MTBfahrer aussortiert werden, die direkt hinter den Rennradfahrern starten. Das 24h MTB Rennen und unser Rennen sind die einzigen die dann tatsächlich heute stattfinden. Auch die MTB Fahrer fahren über die Grandprixstrecke, biegen aber dann nicht auf die Nordschleife ab, sondern fahren über einen Trail um dann wieder am Ende auf die Grandprixstrecke zu gelangen und sich diese mit den Rennradlern zu teilen.

In der Startaufstellung friere ich ohne Ende. Mein ganzer Körper zittert. Vielleicht habe ich doch zu wenig an? Es gibt noch ein paar Interviews mit prominenten Teilnehmern, allerdings fahren die leider „nur“ im Team. Vor allem mit Christian Knees hätte ich mich gerne verglichen, immerhin ein aktiver sehr guter Radprofi.

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Startaufstellung

Dann geht es aber endlich los. Nach dem Countdown rollt das Feld an und wir bewältigen zum ersten mal für heute die Grandprixstrecke und biegen dann gleich auf die Nordschleife ab. In den folgenden Runden führt die Strecke noch durch’s Fahrerlager, so dass die erste Rundenzeit noch kein Maßstab ist.

Auf die Nordschleife geht es kurz berghoch, gefolgt von der ersten flotten Abfahrt. Ich fahre recht verhalten und bremse etwas, was aber eigentlich nicht nötig wäre. Aber ich will erst mal die Strecke kennenlernen. Dabei werde ich vorsichtig in den Abfahrten fahren und, im Gegensatz zu Kelheim, möglichst kraftsparend fahren. Kein sinnloses nach vorne stürmen also, nicht mehr im Wind fahren als notwendig.

Der erste Teil der Nordschleife geht hauptsächlich bergab. Die Strecke macht einen Heidenspaß. Am „Schwedenkreuz“ vorbei geht es dann erstmals in die „Fuchsröhre“. Ich hatte mir etwas Sorgen gemacht wie man hier in einem dichten Fahrerfeld mit hoher Geschwindigkeit sicher herunterkommt, schließlich hat mich schon mal jemand bei Tempo 70 von hinten umgesäbelt, was keine schöne Erfahrung war. Aber die Strecke ist so breit, und schon jetzt hat sich alles recht weit auseinander gezogen, so dass es überhaupt kein Problem darstellt.

Dann geht es erst mal wieder berghoch, aber man kann den Schwung schön mitnehmen. Geil. Ich kann immer an irgendwelchen Gruppen dranbleiben. Außerdem passe ich auf, maximal mal in den EB Bereich vorzustoßen, aber keinesfalls darüber. Diesmal will ich nicht ab der dritten Runde leiden (jedenfalls nicht mehr als nötig).

Nach einer erneuten sehr geilen Bergabpassage, wo ich auch erst mal recht vorsichtig fahre, ist dann der Kilometer 11 der Strecke erreicht. Ab jetzt geht es eher bergauf. Ab Kilometer 12 sogar meist im zweistelligen Prozentbereich. Bei Kilometer 13 kann man kurz verschnaufen. Mir ist warm, sehr warm sogar. Hier hinten auf der Nordschleife ist es viel wärmer als am Start. Ich bin viel zu dick angezogen. Mist.

Man fährt nun durch eine kleine Steilkurve deren innerer Fahrbahnteil aus Betonplatten besteht. Man kann über den Platten auf dem Asphalt fahren oder auf einem kleinen Asphaltstreifen ganz innen. Ich entscheide mich erstmal für außen.

Nach einer kleinen Zwischenabfahrt geht es hinauf zur „hohen Acht“. Hier steigt die Straße mit soliden 13%, der Garmin zeigt im oberen Teil sogar 14%. Die 18% die es hier angeblich zu klettern gilt kann ich nicht finden. Aber steil genug ist es allemal. Oben ist ein Red Bull Bogen aufgeblasen und ein DJ macht – ähm – Musik. Es gibt einen Bergpreis für die schnellsten Zwischenzeiten hier, der interessiert mich natürlich nicht, ich will nur möglichst easy über die Runde kommen.

Eine Labstation gibt es hier auch. Gut zu wissen, dass man auf halber Strecke nochmal einen Anlaufpunkt hat, falls es einem schlecht gehen sollte.

Es folgt ein bisschen Achterbahn, dabei gibt es nochmal eine Stelle mit heftiger Beschleunigung in der Abfahrt und dann die Fahrt durch das „Stefan Bellof S“, für mich als Gießener natürlich eine besondere Stelle. Am „Schwalbenschwanz“ kann ich gut an einer Gruppe schneller Teamfahrer dranbleiben, was wichtig ist, denn es folgen bald zwei längere Geraden in Richtung Fahrerlager wo Windschatten ganz besonders hilfreich ist. Zumal uns hier der Wind entgegenbläst.

Kurz vor der letzten Steigung zur Zielgerade hin trifft die MTB-Strecke wieder auf den Rennradkurs. Auf der Zielgeraden ist Windschatten extrem hilfreich, hier ist der Gegenwind gerade recht stark.

Die erste Runde ist absolviert. Ich zähle mit dem Radcomputer aber erst am Fahrerlager wo meine Betreuer stehen. D.h. es geht erst mal über den Grandprix Kurs, dann biegt man ab ins Fahrerlager. Peter steht schon da mit den gefüllten Trinkflaschen. Ich brauche aber nichts. Ich halte nur kurz an um die Weste auszuziehen.

Dann geht es nach einer kleinen Schleife entgegen der Fahrtrichtung die Zielgerade entlang durch die Boxengasse bevor man wieder auf die Nordschleife abbiegt.

Runde 1 ist also geschafft, war doch gar nicht so schlimm. Die Beine fühlen sich gut an. Die Strecke macht Spaß, die Fuchsröhre ist easy zu fahren, der Anstieg zumindest nicht unmenschlich…

Auch in Runde zwei kann ich gut in Gruppen fahren und an entscheidenden Stellen Windschatten fahren. In den Abfahrten muss ich nicht mehr Bremsen, bis auf ganz wenige Ausnahmen, jetzt macht es höllisch Spaß hier zu fahren (Wahrscheinlich heißt es deshalb „Grüne Hölle“). Der erste Teil ist einfach nur geil.

Ab dem „Bergwerk“, so um Kilometer 11 ist es dann mit dem Spaß vorbei und es geht wieder ordentlich berghoch. Aber die Beine sind jetzt warm, die lästige Weste ist weg, so dass es ich meine Körperwärme besser abgeben kann und ich fühle mich noch gut.

Das scheint aber nicht allen so zu gehen. Schon jetzt in Runde 2 sehe ich etwas, dass ich bei einem Wettkampf noch nicht gesehen habe. Einige wenige Radfahrer schieben ihr Rad zur hohen Acht hinauf. So früh, das wundert mich doch etwas.

Anyway, hier starten natürlich Radfahrer mit ganz unterschiedlichen Zielen und Leistungsstärken. Die schnellen Teams fahren hier wahrscheinlich niedrige 40er Zeiten, die Spaßfahrer, die vielleicht „nur“ für einen guten Zweck radeln oder einfach das Erlebnis Rad-am-Ring genießen wollen werden sicher mehr als die doppelte Zeit brauchen. Und da man Runden fährt treffen diese Fahrer auch immer wieder aufeinander, was bei einem Radmarathon natürlich nicht passiert.

Ich komme noch ganz gut zur hohen Acht hinauf, der Moderator ist mittlerweile aufgewacht und legt richtig los, so dass man noch etwas Motivation bekommt. Vor allem in der Nacht wird das sicher helfen.

Im folgenden Berg- und Talfahren kann ich gut mit den Gruppen mithalten und so trotz kräfteschonender Fahrt (im weitesten Sinne) gut unter einer Stunde bleiben für die zweite Runde.

Noch immer brauche ich keine Getränke von meinem Betreuerteam, das mittlerweile aus Peter und meinen Eltern besteht. Die relativ niedrigen Temperaturen kommen mir entgegen. Auch für den Magen ist es angenehmer wenn man nicht so viel Flüssigkeit ersetzen muss, insgesamt profitiert man also mehrfach wenn es nicht so heiß ist.

Ich bin gespannt ob es mir nun besser geht als in Kelheim, da waren die ersten zwei Runden ja auch ok, aber das waren eben die einzigen Runden die ok waren…

Aber auch die dritte läuft gut. Ich freue mich auf das Schwedenkreuz, denn von dort an gibt es einige richtig geile Bergabpassagen. Ab Kilometer 12 ist es recht anstrengend mit den zweistelligen Steigungsprozenten, aber die Beine funktionieren noch gut.

Auch Runde drei bleibt noch unter der Einstundenmarke. D.h., für die restlichen Runden sollte eine Zeit knapp über einer Stunde, wahrscheinlich so um 1:05 h herauskommen, es sei denn meine Beine spielen nicht mit und die Steilen Abschnitte machen mir muskuläre oder orthopädische Probleme.

Mittlerweile nehme ich auch Getränke auf an meiner Verpflegungsstelle. Auf der Grandprixstrecke hat sich auch längst die Ideallinie herauskristallisiert. Überhaupt ist es eigentlich ziemlich klar wo auf dem gesamten Kurs die beste Linienführung liegt. Allerdings verzichte ich oft darauf, wenn ich von Windschatten profitieren kann und die vor mir fahrenden eher die „Autolinie“ wählen.

Es ist mittlerweile dunkel und die Temperatur weiter gesunken. Meine Beleuchtung funktioniert gut. Ich fahre die Lupine Piko 7 nur auf kleinster Stufe. Die Strecke ganz ausleuchten tut sie sowieso nicht und die Rücklichter der anderen Fahrer zeigen mir den Streckenverlauf schön an. Auch scheint der Mond noch schwach auf die Strecke, so dass man die Fahrbahn ohne Probleme trifft. Zwei, drei heikle Stellen für die Abfahrt sind vom Veranstalter hell ausgeleuchtet. Sehr gut.

Wobei man sagen muss nach einigen Runden, und jetzt wo das Feld wirklich weit auseinander gezogen ist, gibt es eigentlich keine heiklen Stellen. Ich habe mich selten so sicher gefühlt wie hier auf dem Nürburgring. Keine Gefahr durch Gegenverkehr, sehr gute Qualität des Straßenbelags, und die Strecke ist herrlich breit. Ein Traum.

Ich bin froh, dass ich meinen Frust über die Startverschiebung und damit einhergehende Kürzung der Renndauer überwunden habe und nicht nach Hause gefahren bin. Stattdessen versuche ich das jetzt in Rennpower umzusetzen.

Am Red Bull Bogen oben scheinen sie zu wenig Red Bull getrunken zu haben, denn als ich das nächste mal dort vorbeikomme ist keine Sau mehr da. Die Musik aus, der Moderator weg. Hm, die sollten sich mal die Fanmeile in Kelheim anschauen, die haben 24 Stunden durchgehalten. Aber die Verpflegungsstelle ist besetzt. Ich komme auch ohne DJ-Wabermusik noch den Berg hoch.

Zu meiner Zufriedenheit läuft es auch mit der Ernährung. Ich kann alles essen und trinken, wobei essen natürlich bedeutet Ensure Plus zu trinken. Auch die Versorgung durch mein Betreuerteam klappt hervorragend. Immer rechtzeitig stehen sie bereit und reichen mir Flaschen und ggf. Kleidung. Die Temperatur liegt jetzt hinten auf der Nordschleife bei ca. 3° C, so dass ich nach einiger Zeit die Weste wieder angezogen habe. Zwischendurch hatte ich von langen auf kurze Handschuhe gewechselt, die behalte ich aber an, die sind einfach besser gepolstert und kalte Hände haben mich während des Fahrens noch nie sonderlich interessiert. (hinter her dann aber schon…)

Ich kann meine Rundenzeiten recht konstant knapp über der Einstundenmarke halten. Der Anstieg ab Kilometer 12 fühlt sich nun schon ab Kilometer 11 unangenehm an, der Anstieg zur hohen Acht hat nun gefühlt endlich die versprochenen 18%, auch wenn der Garmin immer noch maximal 14% anzeigt.

Nach der siebten Runde frage ich kurz bei meinen Betreuern nach ob sie noch fit sind, denn jetzt ist es ja doch mitten in der Nacht und die haben deutlich weniger Bewegung als ich, die sie wach halten könnte.

Aber wie schon oft mache ich die Erfahrung, dass auch das Betreuen Spaß macht und die drei zum Teil unseres „Viererteams“ werden, das hier um eine gute Platzierung kämpft. Das macht mir wiederum positiven Druck den ich in Leistung umsetzen kann. Denn auch wenn ich schon ein Einzelgänger bin, so bin ich doch auch Teamplayer und kämpfe gerne für den gemeinsamen Erfolg, wie immer der auch definiert ist. Für mich wäre das eine Platzierung in den Top 20. So langsam arbeite ich mich auch in diese Richtung vor, denn momentan liege ich auf Platz 22. Hoffentlich ist das Rennen lang genug…

Jetzt bekomme ich aber richtig Hunger und habe große Lust auf ein Käsebrot. Das bestelle ich auch bei Peter. Dazu müsste ich natürlich kurz zum Wohnmobil fahren und eine kleine Pause einlegen. In Kelheim war der erste Stint 11 Runden lang, allerdings ging es mir da schlecht. Hier geht es mir bis jetzt erstaunlich gut, aber nach 10 Runden hat man ja schon fast 6000 Höhenmeter. Ich überlege was ich machen soll. Vor allem habe ich etwas Schmerzen in der rechten Achillesverse. Sonst ist aber körperlich alles in Ordnung.

Ich hatte auf das alte Pedalsystem aber mit neuen Einlagen gesetzt. Einfach weil ich mein Bergfahrrad noch nicht auf umstellen wollte auf die neuen Pedale mit den entsprechenden kleinen Anpassungen der Sitzposition.

Runde 9 startet auch noch gut, aber das Schild zu Kilometer 12 kann ich jetzt schon nicht mehr leiden. Die kleine Steilkurve nach Kilometer 13 fahre ich nur noch innen. Schon in der zweiten Runde hatte ich gemerkt, dass das der viel schnellere Weg ist. Doch auch jetzt fährt fast noch die Hälfte der Fahrer oben. Mir egal, so kann ich mir für die kleine Abfahrt immer wieder einen Windschatten schnappen der mir sonst vielleicht weggefahren wäre.

Jetzt muss ich aber zur hohen Acht richtig kämpfen. Keine Ahnung wie ich hier noch 5 Runden hoch kommen soll. Ich habe tierisch Hunger, außerdem muss ich pinkeln. Ich beschließe die Infrastruktur an der Verpflegungsstelle zu nutzen. Dumm nur, dass meine Brille jedesmal hier im Anstieg komplett anläuft. Es nimmt mit jeder Runde zu. Da es dunkel ist sehe ich oben praktisch nichts mehr. Ich treffe trotzdem die Fahrspur zur Verpflegungsstelle und stelle mich mit dem Rad vor die Theke. Eigentlich etwas unhöflich, aber es sind eh kaum andere Fahrer da, passt schon. Ich haue erst mal zwei Becher Apfelschorle, zwei Waffeln, ein Stück Mettwurst und zwei Kekse weg. Geil. Björn, mein Trainier, hat recht, dem Körper ist es scheißegal wo er seine Kohlenhydrate herbekommt…

Das mit dem Pinkeln bekomme ich nicht hin, dafür müsste ich die Strecke überqueren, es kommen aber gerade Fahrer und ich sehe nichts durch die Brille, fahre auch schon wieder bergab, egal gehe ich halt auf der Zielgeraden, da gibt es auch sanitäre Anlagen.

Auf der Zielgeraden muss ich allerdings feststellen, dass die hinter den Absperrgittern sind. Naja, es gibt 26 Kilometer lang Wiese neben der Strecke ich werde schon eine Stelle finden, schaffe es dann aber doch bis zur hohen Acht, diesmal halte ich kurz auf der anderen Seite der Verpflegungsstelle. Erleichterung beschreibt es am besten. So kann ich auch wieder entspannter im Blindflug mit meiner angelaufenen Brille die Bergabstücke meistern.

Nach der 11. Runde fahre ich dann doch schnell ans Wohnmobil, der Akku des Garmin ist platt. Ich hatte diesmal keine Lust mir einen zweiten Garmin zu kaufen, da ich die SRAM Quarq Kurbel fahre funktioniert auch der PC7 von SRM nicht, denn das Powercontrol kann erst in der neuesten Version 8 richtiges ANT+.

Ich esse anderthalb Käsebrote und sehe dann zu, dass ich schnell wieder auf’s Fahrrad komme. Denn mittlerweile liege ich auf Platz 18 und die Top 20 will ich jetzt nicht mehr hergeben. Auch wenn ich keine Idee habe wie ich die ca. 10.000 Höhenmeter bewältigen soll, die ich wohl zwangsläufig fahren muss, wenn ich die Position halten will.

Es ist jetzt längst hell geworden. Der Akku der Piko 7 hatte locker durchgehalten. Die Frontbeleuchtung habe ich in der Pause abgelegt. Genauso, wie das Hinterradschutzblech, dass ich in Erwartung weiterer Regenfälle angesteckt hatte. Ab jetzt gilt es Gewicht zu sparen wo es nur geht, denn mit jeder Runde wird der Anstieg zur hohen Acht steiler.

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Anstieg zur „hohen Acht“

Ich überlege kurz ob ich Sonnencreme auftragen soll, denn die restliche Zeit wird wohl die Sonne knallen so wie es jetzt aussieht. Aber das würde viel zu lange dauern. Also verwerfe ich den Gedanken wieder.

Mittlerweile ist es richtig anstrengend. Auch ist es nicht einfach genug Windschatten zu finden. Ich fahre doch recht viel im Wind. Bin mir aber auch nicht zu schade auf der Zielgeraden am Hinterrad eines Mountainbikers ein paar Körner zu sparen. Da ist jetzt jede Form von Stolz dahingeschmolzen 😉

Ich hole mir den geladenen Garmin in der nächsten Runde wieder ab. Ich bin erstaunt, wie konstant weiterhin die Leistung von den Beinen kommt. Obwohl es sich schlechter anfühlt fahre ich jetzt recht konstant um 1:03 h. 15 oder auch 16 Runden müsste ich eigentlich schaffen.

Ob die Geschwindigkeit der Sportograf Fotofalle wirklich stimmt? Es sieht auf jeden Fall gut aus...

Ob die gemessene Geschwindigkeit in der Sportograf Fotofalle wirklich stimmt? Es sieht auf jeden Fall gut aus…

Vielleicht liegt es am O-Saft den ich jetzt einsetze statt Ensure. Der schmeckt einfach so herrlich süß und hat ordenlich KH und Energie. Es ist fast elf. Wenn ich 16 Runden fahren will sollte ich etwas Gas geben. Fährt man eine Viertelstunde vor Zielschluss über die Ziellinie, darf man die Runde noch zu Ende fahren, das unterscheidet die 24h von Rad-am-Ring von anderen 24h Rennen.

Im Fahrerlager sind jetzt auch Andrea und Jörg eingetroffen, die haben mich schon bei meinem ersten Radmarathon an der Strecke unterstützt und Jörg war Teamchef meiner Crew beim RAAM 2014. Seine Erfahrung erweist sich auch gleich als nützlich, als ich mich an der Verpflegungsstelle im Fahrerlager mit Peter nicht auf eine Flasche „einigen“ kann und ohne weiterfahre. Kurzerhand reichen mir die beiden die Flasche in der Boxengasse, nachdem Andrea mich vorgewarnt hat.

Obwohl sich die Strecke ab Kilometer 11 jetzt wirklich zäh anfühlt und ich wirklich kämpfen muss, ist die 15. Runde um kurz vor 11 Uhr geschafft. Also Aufbruch zur letzten Runde, die kann ich locker fahren, sozusagen die Ehrenrunde. Es fahren jetzt auch einige Teams mit der kompletten Mannschaft um die letzte Runde gemeinsam zu genießen. Mein Verstand sagt, rolle locker um den Kurs, mache eine Pause an der hohen Acht und rolle dann ebenso locker ins Ziel.

Aber das Wettkampftier in mir weist mich zurecht. Denn obwohl einige nur noch um den Kurs trudeln ist ja eigentlich der Timecut für eine weitere Runde noch zu machen!

Schon in der 15. Runde habe ich mich gerade so noch die hohe Acht hochgekämpft. In dieser Runde haben fast mehr das letzte Stück hochgeschoben als das Fahrer auf der Fahrbahn gefahren sind. Ich habe keine Ahnung wie ich das jetzt nochmal da hoch schaffen soll. Trotzdem gebe ich auch schon in den Passagen vorher nochmal richtig Gas, nix mit Ehrenrunde! Ich fahre auch viel im Wind, weil ich noch um eine weitere Runde kämpfe, und noch mal Dampf machen will. Ich versuche einige Mitstreiter zu finden und die Leute nochmal anzufeuern, aber ich bekomme wenig Resonanz.

Das wird verdammt knapp. Ab Kilometer 11 wird es hart. Ab Kilometer 12 erst Recht. Wie ich diese blöden Schilder hasse „Klostertal“, ab dort beginnt das Leiden. Ich habe immer das Gefühl mich schneller als der Hauptstrom zu bewegen, aber was nützt es, es ist trotzdem Quälerei.

Am schlimmsten sind die E-Biker. Ja, warum auch immer, es gibt ein E-Bike Rennen. Wo ist da der Gag, wenn berghoch der Elektromotor die Arbeit übernimmt. Es ist irgendwie frustrierend wie easy die den Berg hochrasen. Aber Bosch möchte natürlich Werbung für seine E-Bike Motoren machen und Rad am Ring bietet dazu einen guten Rahmen.

Ich quäle mich stattdessen, wie die meisten anderen auch, ohne Unterstützung den Berg hoch. Allerdings sehe ich auch, wie zwei Teamfahrer einen Einzelfahrer aus ihrem Verein den Berg hoch schieben. Das ist mal richtig unfair gegenüber den anderen Einzelfahrern. Genauso wie die Tatsache, das einige das Verbot von Aeroaufliegern ignorieren. Ein enormer Vorteil auf den flachen Abschnitten. Ich finde das etwas armselig, sich so einen Vorteil zu verschaffen.

Egal, der Aufstieg zu hohen Acht ist nun zu bewältigen und ich habe noch keine Ahnung wie ich da hoch kommen soll. Mittlerweile habe ich ja schon fast 9000 Höhenmeter in den Beinen. Mehr als ich jemals zuvor an einem Tag gefahren bin.

Aber es geht erstaunlich gut. Im etwas unrunden Wiegetritt kämpfe ich mich zum höchsten Punkt der Strecke. Ganz kurz überlege ich ob ich hier jetzt eine Genusspause einlege und ausrolle, aber die Wettkampfsau in mir gibt Gas, hindurch durch das Gewühl an der Labstation.

Ich kämpfe, ich will definitiv keine Runde mehr fahren, ich bin froh wenn es endlich vorbei ist, aber ich kämpfe bis zum Schluss, wenn ich es schaffen kann will ich auch vor 12:45 Uhr über die Ziellinie fahre, dann kann ich ggf. die letzte Runde wegen mir die hohe Acht hochschieben…

Es ist schwer eine Gruppe zu finden, da wie gesagt die meisten ihre „Ehrenrunde“ fahren. Aber ich habe Glück, auf der vorletzten langen Gerade findet sich eine brauchbare Gruppe zusammen, wir fahren zwar für meinen Geschmack etwas zu langsam, aber alleine wäre ich auch nicht schneller und so kann ich nochmal letzte Kräfte für die beiden Schlussanstiege sammeln.

Letzte Gerade hin zur Zielgeraden, ich muss auch etwas im Wind arbeiten, kann mich aber mit Gewalt an einen schnellen Teamfahrer ranbeamen, einer der wenigen die noch kämpfen. Er stöhnt und schreit, holt das letzte aus sich heraus, ich gebe jetzt alles was ich habe um dranzubleiben, dann geht es bergauf, er zieht jetzt weg, aber das hat jetzt endgültig die letzten Reserven in mir mobilisiert und ich stöhne mich mit Gewalt den letzten Anstieg hoch.

Dann endlich die Zielgeraden, es wird ganz knapp, noch vier Minuten oder so. Ich verstehe nicht warum die anderen nicht kämpfen, ich fange auch an zu schreien und verschaffe mir so Platz und gebe richtig Gas, gebe alles was ich habe um noch vor der Zielflagge die Linie zu überqueren um noch eine Runde fahren zu können. Einige Fahrer trudeln echt im Weg herum, weil für sie das Rennen schon vorbei ist. Weg mit euch!

Ich geißele mit aller Gewalt über die Zielgerade und fahre schreiend über die Ziellinie, 2:40 min vor Ende. Jaaaaaaa! Ich habe es geschafft! Neeeiiin, ich muss noch eine Runde fahren!

Jetzt beginnt die Ehrenrunde, aber ich nehme es sportlich, ich will die letzte Runde wie alle andern auch so schnell fahren wie ich kann. Ich kämpfe bis zum Schluss. So gebe ich auf der Grandprixstrecke alles, fahre bei meinem Betreuerteam vorbei erkläre kurz, dass ich so unklug war noch vor 12:45 Uhr über die Ziellinie zu fahren und die Quälerei noch kein Ende hat, aber eigentlich bin ich jetzt voll Adrenalin und Power.

Den Weg durch die Boxengasse muss ich mir freibrüllen, weil diejenigen die das Rennen schon beendet haben einfach kreuz und quer auf der Strecke stehen. Anyway, ich komme auch da durch und biege ein letztes mal auf die Nordschleife ein.

Während in der letzten Runde die Strecke richtig voll war, ist es jetzt fast einsam auf der Strecke. So habe ich auch praktisch keinen Windschatten. Egal, ich gebe Gas was die Beine hergeben. Geißele alleine die erste Abfahrt hinunter, quäle mich im ersten Gang im Wiegetritt den kleinen fiesen Gegenanstieg hinauf, genieße die Fahrt am Schwedenkreuz vorbei, ein letztes mal die Fuchsröhre hinunter, wieder heftiger Gegenanstieg an dem mir gegen Ende etwas die Luft ausgeht, also im Wiegetritt im kleinen Gang hochquälen.

Dann wieder herrliche Abfahrtspassagen, auch zum 17. mal sind die einfach nur geil, dann vorbei am Bergwerk und ein letztes mal Quälerei. Kilometer 11, Kilometer 12, jetzt wird es hart. Aber ich bestehe jetzt nur noch aus Motivation, ich will auf jeden Fall in meiner Runde nicht noch von einem Einzelfahrer in der gleichen Runde überholt werden.

Dann ist der erste Teil des Anstiegs geschafft, Kilometer 13, kurz durchschnaufen, „Steilwand“, kleine Zwischenabfahrt und es geht in die 13% Steigung. Kämpfen!

Es geht wirklich erstaunlich gut. Also im Sinne von elend aber geil. Wieder in etwas unrhythmischem Wiegetritt die letzten Meter bis zum höchsten Punkt hocheiernd überlege ich kurz ob ich an der Verpflegungsstelle eine Abschiedspause mache. Aber erstens ist es da viel zu voll, zweitens ist das ein Wettkampf und der ist zu Ende wenn ich über die Ziellinie gefahren bin. Alles andere ist unsportlich.

So gebe ich auch in der folgenden Achterbahn nochmal Gas, am „Schwalbenschwanz“ muss ich mich etwas quälen, die folgenden Geraden habe ich kaum Mitstreiter und fahre voll im Wind. Aber das ist mir jetzt schnuppe, gleich ist es geschafft, nochmal den letzten Anstieg hinauf und dann auf die Zielgerade. Auch hier fahre ich noch Vollgas.

Und dann fahre ich nach 17 Runden mit 445 Kilometern und 9860 Höhenmetern über die Ziellinie, meine Betreuer jubeln mir zu, ich schreie meine Freude heraus. Wie geil, ich habe mein Ziel Top 20 mit Platz 13 geschafft und vor allem habe ich einfach das Maximum herausgeholt. Mehr als 17 Runden konnte ich in die 17 Stunden hier am Ring wirklich nicht hineinquetschen. Geil, einfach nur geil.

Ich biege ab ins Fahrerlager und es geht mir richtig gut. Im Gegensatz zur letzten Woche in Kelheim komme ich gut vom Fahrrad herunter und habe keinerlei Probleme, ich kann gehen, stehen und sitzen ohne Probleme. Vielleicht sollte ich schauen ob es am nächsten Wochenende nicht noch ein 24h Rennen gibt…

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