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Ultracycling und Alpenpaesse

Akklimatisationsphase Wüste Tag 8

Lagerkoller!

Morgens in meinem Office,  dem Starbucks am Rande von Brawley, ist noch alles ok. Ich hatte außergewöhnlich lange geschlafen. Da das Frühstück nur bis 9 Uhr geht, schaffe ich es gerade noch meine Haferflocken und zwei Toast zu essen bevor um Punkt neun die Stühle hochgestellt werden und der Fernseher ausgeschaltet wird. (Strafende Blicke und Fox News Entzug, beeindruckt mich nicht wirklich)

Ich kann ein paar Artikel für das Blog schreiben, die ich schon lange (bzw. schon längst) schreiben wollte. Es ist Sonntag, aber das macht hier kaum einen Unterschied zu irgendeinem anderen Tag.

Es ist bitterkalt im Starbucks und es war schon bitterkalt beim Frühstück. Diese Klimahölle geht mir auf den Keks. Ich tröste mich mit einem Decaf Cappuccino.

Heute ist schon wieder trainingsfrei. Zwar hat mir Björn gesagt ich solle nach Gefühl trainieren, aber grob will ich mich an den Plan halten, auf dem Papier macht er Sinn. Ich fühle mich aber schlecht wenn ich nicht fahre. Ich habe das Gefühl „dick“ zu werden, nicht genug Hitze abzubekommen zur Akklimatisation, außerdem habe ich beim Radfahren gestern leichte Sitzprobleme gehabt und ich will eigentlich wissen ob das nur einmalig war oder ob sich da unerwartete Probleme auftun.

Vor allem aber dachte ich im Vorfeld ich wäre die zwei Wochen vor dem Rennstart nervös ohne Ende. Aber momentan ist der Rennstart noch unglaublich weit weg. Es gibt immer noch tausend Kleinigkeiten zu tun. Meine Gedanken sind immer nur bei meiner ständig aktualisierten Einkaufsliste, bei der Frage wie bekomme ich 8 Fahrer auf die Mietwagen eingetragen oder sonstigem organisatorischem Kram.

Im Prinzip bin ich sehr gut vorbereitet auf das RAAM. Allerdings auf das RAAM 2015. Ich starte aber in einer Woche, nicht in einem Jahr. Das macht mich nicht nervös aber es ärgert mich. Ich habe das Gefühl ich hätte es besser machen müssen. Aber letztlich besteht so ein Projekt (und das RAAM ist definitiv nicht nur ein Rennen, sondern ein Projekt) aus vielen kleinen Kompromissen, die von vielen Faktoren abhängen. U.a. auch vom Budget und der Erfahrung. Ich denke mal nächstes Jahr würde ich einen ganz brauchbaren Teamchef abgeben…

Aber weg mit den unnützen Gedanken, ich will am 10. Juni bestmöglich vorbereitet am Start stehen. Also heißt es nochmal zusammenreißen. Immerhin komme ich ja auch in kleinen Schritten vorwärts. Das Followcar hat Telefon und Internet (wo Empfang ist…), die Telefone für die anderen Fahrzeuge sind aktiviert, die Adressbücher programmiert, die Crew braucht nur noch eine Taste drücken.

Die WalkieTalkies kaufe ich in Oceanside mit Marco und Oli zusammen. Die Autoaufkleber sind gerade fertig geworden und Marco holt sie noch ab, die Sponsorenaufkleber wird es wohl auch noch geben. Zum Glück gibt es Internet. 1988 hätte ich mich wohl anders auf das Rennen vorbereiten müssen 🙂

Meine Marschtabelle ist nur bis zur TS21 vollständig, die muss ich noch ergänzen, dafür brauche ich einen halben Tag, das mache ich Montag. Über die Rennstrategie habe ich immer wieder nachgedacht. Keine leichte Entscheidung. Fahre ich „nur“ auf ankommen sieht sie völlig anders aus, als wenn ich versuche die beste Zeit die ich drin habe zu fahren. Bei letzterem riskiere ich zwei Tage ordentlich zu fahren und dann große Probleme zu bekommen.

Wenn ich es zu spontan entscheide stelle ich das Team und vor allem Jörg möglicherweise vor große Probleme. Es macht einfach Sinn vorher zu wissen wie man vorgehen will. Anderer seits lässt die unglaubliche Länge des Rennens immer zu, dass man „zulegt“. Nur wird genau das nicht passieren, eben wegen der unglaublichen Länge des Rennens.

Ich bin mir auch nicht sicher ob meiner Crew wirklich klar ist, in welchem Zustand ich ab einem gewissen Punkt sein werde. Vielleicht sind die dann enttäuscht von mir und ich weiß nicht wie ich damit umgehen werde. Und werden die dann hart genug und risikobereit genug sein mich vorwärts zu peitschen, mich zu motiveren, mich schlaftrunken und erschöpft auf’s Rad zu setzen? Und werde ich darauf überhaupt reagieren, ich bin ja manchmal schon stur und eigensinnig…

Keine Ahnung, um das RAAM zu verstehen bzw. zu wissen, dass man es prinzipiell überhaupt bestehen kann, und wie man das beste aus sich herausholt, muss man es wohl mindestens einmal gefahren sein, vielleicht sogar gefinished haben.

Ich habe auch eigentlich gar keine Lust mehr darüber nachzudenken, ich habe auch keine Lust mehr dreimal am Tag beim Walmart, Best Buy, Radio Shack vorbeizufahren und irgenwelchen Kram zu kaufen, ich habe auch keine Lust mehr mit dem Auto bei guter Musik durch die Wüste zu cruisen, ich will endlich auf’s Rad, einfach fahren, die elend schlechten Straßen spüren, durch die stehende Hitze schneiden, mich irgendwelche Roller hochquälen oder 6% Anstiege im G1 hochschleichen, nur endlich fahren. Trinken, Nahrung trinken, fahren. Mehr nicht.

Aber noch ist es nicht soweit. Wieder einmal studiere ich das Gearbook. Wie war das eigentlich mit den Reflektorstreifen am Fahrrad? Und dann fällt es mir auf. Das darf doch nicht wahr sein. Die ganzen neuen Conti GP 4000 SII sind ohne Reflektorstreifen! Verdammt! Ich habe das bei der Bestelltung nicht extra gesagt, außerdem hielt ich das für selbstverständlich, ich habe auch noch nie andere GP4000 gekauft.

Aber es ist tatsächlich so, alle Reifen die ich schon auf den Laufrädern montiert habe und die ich als Ersatz dabei habe, ebenso wie die, die ich an die Crew verteilt habe sind ohne Reflektorstreifen. Ich könnte schreien. D.h. nämlich ich muss irgendwelche Reflektoraufkleber auf der Felge befestigen. Aerolaufräder für 2500,- EUR mit ausgeklügeltem Profil und Golfballoberfläche um 0,1 Mikrowatt pro 1000 Kilometer gutzumachen und dann muss ich da Reflektoraufkleber dranbappen die 1 Watt pro 100 Km kosten?!

Sehr, sehr schlecht. Umtauschen kann ich auch nix mehr, das Zeug ist hier. Ich ärgere mich sehr. Ich hatte das nicht kontrolliert. Selbst als ich die Reifen auf die Mavic Laufräder montiert habe, habe ich nicht darauf geachtet.

Ich bin sehr frustriert. Das sehr späte Mittagessen im eiskalten Restaurant verschlechtert meine Laune. Ich fahre nochmal ins Walmart und kaufe Lautsprecherkabel.

Die Laune wird zum Abendessen nicht besser, das mit den Reifen ärgert mich ungemein. Das Fahrrad sieht durch die Klebestreifen ja dann auch noch richtig doof aus. Aber vor allem habe ich jetzt dutzende von Reifen die ich eigentlich nicht haben will und schließlich habe ich sie ja auch bezahlt.

Beim Mexikaner bestelle ich die Tagessuppe. Die besteht zu 90% aus Tierteilen, die ich normalerweise aussortieren würde. Ich löffele etwas von der Flüssigkeit und lasse das Zeug stehen. Der Kellner meint er könnte das auch nicht essen und er versucht mir zu erklären, welche Körperteile des Tieres das wohl gewesen sind, mir wird schlecht.

Ich versuche im Hotel noch etwas fern zu sehen um mich abzulenken. Aber die kurzen Unterbrechungen der Werbung bieten wenig attraktives Programm. Frustriert lege ich mich schlafen, immerhin nachts kann ich wunderbar akklimatisieren, in meinem Zimmer habe die Klima natürlich aus und das Fenster auf. So heizt es sich bis nachmittags auf hohe 30er Temperaturen auf, die auch nachts nicht weniger werden.

Der Tag war dann nur so mittel. Immerhin ein paar Blogposts geschrieben und das mit den Telefonen erledigt. Aber das mit den Reifen ist Mist.

 

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