steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

die 4000er Marke fällt

Samstag 15.08.09

Wie gehabt, um 6:20 Uhr sitze ich auf dem Fahrrad, und am Ortsschild Bruck wird die Stoppuhr gestartet.


Die Magie der Berge will noch nicht so ganz wirken, ob ich mich schon an den Anblick gewöhnt habe? Kann man sich an so fantastische Landschaften gewöhnen?


Eins zeichnet sich allerdings schon ab, das Wetter wird noch besser wie beim letzten mal. Da schien zwar die Sonne, aber es lag durch den teils ganz ordentlichen Wind, immer so eine Drohung über der Landschaft, „gleich kommt ein Gewitter und Regen“. Diesmal ist schlicht Kaiserwetter, und dass kann man auch schon morgens sehen.


Spätestens hinter Fusch aber, stellt sich das fantastische Gefühl ein, wenn einem bewusst wird, dass man hier gerade mit dem Rennrad durch herrliche alpine Landschaften fährt. Und was noch besser ist, hinter Fusch, als es endlich mit der Steigung los geht, stellt sich auch ein gutes Gefühl ein, was die Form des heutigen Tages betrifft. Ich hoffe das bleibt so bis oben…


Der Unterschied zum letzten mal ist dann doch drastisch, der erste Teil bis zur Moutstelle geht fast „locker“. An die zwei etwas flacheren Stellen, die die 10 bis 12 Prozent unterbrechen konnte ich mich gar nicht mehr erinnern, und als die Moutstelle und der Beginn der Zeitmessstrecke erreicht ist, kann ich gar nicht glauben, dass ich schon da bin, ich musste mich noch gar nicht quälen.

Zeitticket ziehen, und dann geht’s los mit Mountainbiker sammeln. Die starten nämlich meist erst von der Moutstelle und leiern dann mit Entfaltungen von deutlich unter zwei Metern den Berg hoch. So sind es nicht drei bis vier und auch nicht dreizehn bis vierzehn, sondern eher so dreißig, vierzig Radler auf MTBs oder ähnlichem Gefährt, die ich überholen kann. Ich weiß nicht genau, ob das schöne Ablenkung ist, oder meinen Rhythmus eher stört, meistens versuche ich mir die Radler eher als bewegliche Teilziele zurechtzulegen.


Jetzt kommt mir die Strecke noch viel schöner vor als letztes mal. Es ist zwar sehr anstrengend, aber ich muss mich nicht so elend quälen wie vor zwei Wochen, der Tritt ist etwas flüssiger, das Training trotz Regen und Dunkelheit hat sich also doch bezahlt gemacht. Aber noch weiß ich ja nicht, ob ich auch wirklich schneller bin wie letztes mal, oder mich nur besser fühle. Was mich etwas skeptisch macht, ist der Umstand, das ich noch keinen anderen Rennradler gesehen habe, so dass ich meine Geschwindigkeit (trotz Fahrradcomputer) nicht recht einschätzen kann.


Dann nach ca. 20 gefahrenen Kilometern taucht vor mir ein Bergfloh mit rasierten Beinen und sieben Kilo Fahrrad auf. Endlich! Ich fahre zwar etwas schneller, aber nur minimal, und er geht immer wieder aus dem Sattel um sich weiter zu kämpfen, allerdings deutet sein stilistisch wenig eleganter Wiegetritt daraufhin, dass er nicht gerade ein Radprofi ist. (Wie natürlich auch der Umstand, dass er ungefähr genauso schnell ist wie ich…)


Es dauert fast fünf Kilometer bis ich so auf wenige Meter dran bin, da überholt uns beide ein anderer Rennradler. Und der Bergfloh (ist nett gemeint, der Typ hatte wohl nicht viel mehr wie 60 Kilo) versucht sich dranzuhängen. Jetzt nur nicht durchdrehen, sondern schön weiter Kurbeln, einfach ignorieren, der macht sich jetzt fertig, und dann schnappst du ihn dir. Ich bleibe vernünftig und lass beide ziehen, wobei der Überholer recht schnell davonzieht, so dass es beim Versuch der Verfolgung bleibt.


Und ich arbeite mich tatsächlich wieder heran, und auf den letzten dreihundert Metern liefern wir uns ein echtes Sprintduell zur Zeitmessstelle am Fuscher Törl, in fast 2400 Metern Höhe, nach fast 2000 gekletterten Höhenmetern…

Er fährt allerdings durch, und ich halte kurz an um die Zeit abzustempeln. 1:20:40 Über 14 Minuten besser als beim letzten mal! Auf eine länge von 13 Kilometern keine schlechte Steigerung. Jetzt kommt die kleine Abfahrt zur Fuscher Lacke herunter, denn mein eigentliches Ziel ist ja zunächst das Hochtor. Und auch auf der Abfahrt fühle ich mich deutlich wohler, so dass ich meine übervorsichtige Fahrweise hier etwas ablege, so bin ich schon am Beginn des Anstiegs bis auf zehn Meter wieder dran bin, und an der ersten Steigung komme ich bis ans Hinterrad. Offensichtlich ist beim Bergfloh jetzt Schluss mit Körnern. In dem kleinen flachen Stück hinter dem ersten Tunnel muss er regenerieren, während ich schön hochschalten kann, und weg ist er (oder ich, je nachdem von wo man guckt).

Die letzten Kilometer vor dem Tunnel am Hochtor werden noch mal richtig steil, bis 14%. Aber dann umgibt mich das kalte, nasse Schwarz des Tunnels und nach dreihundert Metern im Dunkeln, ist das Hochtor erreicht. Unter zweieinhalb Stunden.



Ich schlürfe schon an meinem Tee, da kommt auch der andere Radler. Und zu meinem Erstaunen muss ich feststellen, dass es derselbe ist, der mich vor zwei Wochen, ziemlich oben vorm Fuscher Törl überholt hatte, und damals konnte ich nicht dranbleiben. Wir lachen herzlich über diesen Zufall. Und ich bekomme noch ein „bist guat gfahrn!“. So, der Tag könnte hier enden!


Zum Glück tut er das nicht! Denn nach einer kurzen Pause fahre ich zurück bis zur Abzweigung Edelweißspitze. Der Gegenanstieg zum Fuscher Törl geht ganz gut, das Wetter ist fantastisch, diesmal tue ich mir also die vierzehnprozentige Kopfsteinpflastersteigung an. Der Belag ist schon bei der Auffahrt teils etwas abenteuerlich, da an manchen Stellen recht grob gepflastert ist. Und vierzehn Prozent sind auch auf dem Rennrad ein Wort, jedenfalls wenn man nicht gerade eine Woche vorher von einer Radreise aus England zurückkommt.



Aber eigentlich geht es erstaunlich gut. Die Strecke ist halt nicht sehr lang, und die 14% keinesfalls durchgängig. Und dann bin ich auch schon oben. Und diese Aussicht bei diesem Wetter ist mit fantastisch nicht mehr zu beschreiben. Einer der schönsten Plätze an dem ich je war. Und mit dem Fahrrad hierher gekommen zu sein macht es irgendwie noch besser.





Es ist erst kurz nach zehn, und so macht Mittagessen keinen Sinn, denn Hunger habe ich auch noch nicht so recht. Aber ein Germknödel bei Alpenpanorama darf es dann doch sein.


Irgenwann kommt ein ortsansässiger Mountainbiker und setzt sich zu mir. Wir diskutieren unter anderem die möglichen Routen, die man hier fahren kann, und irgendwie kann ich jetzt noch nicht wieder ins Tal rollen, dann bin ich um 12 Uhr unten, und völlig unausgelastet. Den „Fehler“ hatte ich am Stilfser Joch gemacht.

So kommt es, dass ich dann beschließe nochmal übers Hochtor zu fahren, und dann auf der anderen Seite runter nach Heiligenblut. Da müsste ich dann pünktlich zum Mittagessen da sein, und könnte nach einer ordentlichen Pause mich den ganzen Nachmittag wieder zurück den Berg hoch kämpfen. Soviel zur These, dass heute nicht so viele Höhenmeter zusammen kommen.

Die Abfahrt von der Edelweißspitze fordert Mensch und Material. Obwohl es nur knapp zwei Kilometer sind, schmerzen mir die Füße von der Vibration, und natürlich kann man nur laaangsam fahren.

Zum zweiten mal geht es dann übers Fuscher Törl zum Hochtor, jetzt kenne ich die Strecke ja schon recht gut, und kann vor allem auf der kleinen Abfahrt richtig geißeln. Und auch Mountainbiker einsammeln geht wieder, manche dann zum zweiten mal 🙂


Am Hochtor halte ich diesmal gar nicht erst an, sondern stürze mich gleich voll in die Abfahrt. Jetzt macht es richtig Spaß, wo ich sonst 45 bis 50 km/h gefahren bin, sind es jetzt 65. Einige langsame Autos und motorisierte Zweiradfahrer kann ich überholen, und dann plötzlich Platten am Hinterrad!


Bei einem Tempo von ungefähr 60 km/h. Der Hinterbau schlägt wie Sau, gefühlt schwingt der jeweils so 30cm in jede Richtung. Ich versuche irgendwie Geschwindigkeit zu verlieren, und überlege nicht ob, sondern nur noch wo ich gleich mit Gewalt auf den Asphalt knalle. Was für ein mieses Gefühl. (nee Mama ich hatte keinen Helm auf).

Irgendwie kriege ich das Fahrrad aber trotzt allem bis auf 20 km/h abgebremst, und dann wieder unter Kontrolle. Puh, das war knapp. Aber zu meinem erstaunen ist der Reifen nicht platt. Häh? Was war das denn? Irgendwas gebrochen? Rahmenflattern fühlt sich zwar ähnlich, aber doch anders an, dass hatte ich gerade die Woche mit dem Trainingsrad getestet.

Auch eine genauere Untersuchung des Rades bringt nichts. Alle Schrauben fest, die Schnellspanner fest, der Reifen scheinbar in Ordnung, die Bremsen ziehen gleichmäßig, der Vorbau ist fest. Ich verstehe es nicht. Also setze ich mich wieder aufs Rad. Doch schon zwei Kurven später, fühlt es sich an, als würde das Hinterrad unabhängig vom Rad seitlich hin und her rutschen, ein Gefühl wie fahren auf Schmierseife. Und vor allem keine gute Vorraussetzung für eine alpine Abfahrt.

Wieder absteigen, wieder alles gecheckt. Nichts! Ein Drittel der Abfahrt ist gefahren. Mist! Also langsam weiter und schauen was passiert. So gurkc ich mit 25 bis 30 km/h die Abfahrt runter. An dem kurzen Gegenanstieg fährt das Ding ganz normal. Und jedesmal wenn ich denke jetzt geht es wieder, tritt das schwammige Gefühl hinten erneut auf. Aus Verzweiflung lasse ich etwas Luft aus den Reifen, aber das bringt auch nichts.


Schließlich erreiche ich so aber Heiligenblut. Das einige Rennradler an mir mit 70 oder mehr vorbeipfeilen, während ich mit 25 dahingurke ist echt peinlich, aber was soll ich machen? Wenn man sich hier auf die Schnauze legt, knallt man gerne mal mit dem Kopf gegen Felsen, oder stürzt einen Abhang hinunter, und ordentlich Verkehr ist auch.

Anyway, in Heiligenblut ist Feuerwehrfest, es ist ordentlich was los, es gibt lecker Hirschgulasch mit Semmelknödel und die Sonne scheint als gäbe es kein morgen. Und außerdem sitze ich beim Essen direkt mit Blick auf den Großglockner. Eigentlich ist es unfassbar schön hier.



Nach einer Stunde ausruhen und Essen, inspiziere ich nochmals das Rad. Wieder nichts. Also mache ich mich so auf die Strecke hinauf über die Großglockner Hochalpenstraße. Auch berghoch fühlt sich das Fahrrad nicht optimal an, allerdings geht es so steil aufwärts, dass das egal ist.



Die Strecke ist schon sehr anstrengend, vor allem mit über 3000 Höhenmetern in den Beinen. Aber die Landschaft ist schlicht fantastisch. Und eigentlich geht es doch recht gut. Das letzte Stück bis zur kurzen Abfahrt (dem Gegenanstieg von der Hinfahrt) ist nochmal heftig, aber dann gibt es ein paar Kilometer Erholung, und ich gönne mir ein paar Minuten um die spektakuläre Aussicht zu genießen.



Natürlich kann ich mich vom letzten mal noch gut an die jetzt folgenden 6,5 Kilometer erinnern. Zum Glück ist der Anstieg von Süden her kürzer wie die Nordseite, aber er beginnt mit einer brutalen Rampe, an der der Steigungsmesser kurzzeitig auf 18% springt, und auch sonst werden die meist 10 bis 12 Prozent gerne mal mit 13 oder 14 Prozent „aufgelockert“.

Bei diesem letzten richtigen Anstieg für heute, muss ich doch ordentlich an die Grenze gehen. Zwar will ich keine besondere Zeit erreichen, sondern einfach nur die Alpen genießen, aber 12 Prozent mit 3500 Höhenmetern in den Beinen sind 12 Prozent mit 3500 Höhenmetern in den Beinen. Quälerei halt. Und auch die Höhe macht sich bemerkbar, bei tiefen Atemzügen „brennt“ die Lunge. Aber irgendwie geht es immer, und so komme ich tatsächlich heute zum dritten mal am Hochtor an. Freudig werde ich von der Angelika begrüßt, die mir meinen Tee serviert, und nach etwas Plauderei mit der hübschen Holländerin, die hier Pause macht, weil ihr vom Autofahren in den Serpentinen schlecht geworden ist, geht es ein letztes Mal durch die Tunnel, hinunter zur Fuscher Lake und dann den Gegenanstieg zum Fuscher Törl hinauf. Hier treffe ich am Anstieg einen Reiseradler, so dass ich den heftigen Verkehr ignoriere, und wir eine zeitlang nebeneinander fahren und etwas plaudern.

Er ist offensichtlich Radsportler, denn er tritt ordentliche Trittfrequenzen, und ist auch mit Gepäck recht flott, ob ich ihm die Zeit von 1:45 h von Bruck zur Abzweigung Kaiser Franz Josef’s Höhe allerdings abnehmen kann weiß ich noch nicht.

Anyway, mein Vertrauen ins Fahrrad ist natürlich etwas gestört, und so mache ich vor der finalen Abfahrt nochmal eine kurze Pause, um mich mental einzustellen. Kurz vor dem Hochtor hatte ich noch festgestellt, dass sich die Schraube der Sattelklemmung gelöst hatte. Mein Fahrrad hat das Kopfsteinpflaster offensichtlich nicht so gut vertragen…

Ich treffe noch auf einen Reiseradler aus England, der von Holland gestartet ist, und auf dem Weg nach Griechenland ist. Er hat sich mit seinen, wie er glaubt, so 18 Kilo, wie ich aber nach Heben des Rades sicher sagen, kann mindestens 30 Kilo Gepäck schon den ganzen Tag den Pass von Bruck aus hochgeschraubt. Und hat noch einiges vor sich. Wir plaudern ein bisschen, endlich kann ich mal wieder Englisch reden. Dann verabschieden wir uns, er Richtung Griechenland, ich Richtung Bruck.

Ich fahre zunächst genauso langsam bergab, wie in Richtung Heiligenblut, aber irgendwann habe ich genug. Manchmal geht es, dann wieder wird das Hinterrad wie Schmierseife. Mist. An einem Halt prüfe ich nochmal alles, und ich glaube die Laufräder sind extrem weich. Keine Ahnung warum. Vielleicht schwingt dann da was auf. Oder sind doch nur einfach die Reifen fertig? Jedenfalls fahre ich dann einfach so, als wär nix und versuche das Schwingen irgendwie zu kompensieren. Seltsamerweise scheint es dann ab der Mautstation etwas besser zu werden.

Wie auch immer, die letzten Kilometer ab Fusch sind dann richtig, richtig gut. Lockeres Rollen, über 4000 Höhenmeter auf dem Tageskonto, links und rechts Berge, was für ein geiles Gefühl.

Und zur Belohnung gibt es geröstete Semmelknödel, und Kaiserschmarrn, was sonst…

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