steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

Großglockner 2011 die Erste

So, heute geht es also zum krönenden Abschluss des „Trainingslagers“ die Glocknerstraße hinauf. Ehrlich gesagt habe ich jedesmal wieder einen riesigen Respekt vor diesem Monster. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass der erste echte Berg für dieses Jahr richtig weh tun wird.

Marco zieht es tatsächlich durch und fährt mit seine Profi Übersetzung von 39-27. Damit käme ich nicht mal bis zur Mautstation… Allerdings wird er dann wohl auch etwas langsamer sein als ich, so dass wir verabreden uns am Hochtor zu treffen, und wenn es zu lange dauert, bzw. wenn es zu kalt ist, dann soll der Erste weiter fahren bis zur Kaiser Franz-Josef’s Höhe. Dort treffen wir uns dann auf jeden Fall, egal wie lange es dauert, denn da gibt es ja ein richtiges Restaurant.

Allerdings habe ich schon große Zweifel ob ich tatsächlich bis zur Kaiser Franz-Josef’s Höhe fahre, denn, mein Körper sagt mir, dass so eine Gewalttour mit über 3000 Höhenmetern momentan nicht angesagt ist.

Als ich morgens aus dem Fenster schaue, kann ich kaum glauben was für ein fantastisches Wetter herrscht. Echtes Kaiser Wetter. Ich hatte eigentlich mit Temperaturen um den Gefrierpunkt und Niederschlag in all seinen Inkarnationen gerechnet.

So entschließe ich mich sogar in kurzen Hosen zu fahren, die Handschuhe und Regenjacke sind aber natürlich für alle Fälle dabei. Die ersten Kilometer bis Fusch bzw. Bärenwerk fahren wir locker zusammen und machen noch ein paar Fotos vom jeweils Anderen, dann geht es richtig in den Berg und jeder fährt seinen eigenen Rhythmus.

Jedes Jahr auf’s Neue ist der Körper wieder schockiert, was man ihm auf dem Rennrad antun kann. Es ist einfach nur steil, und die Qual hört nicht auf. Ich versuche mich mit Bildern vom letztjährigen Glocknerkönig zu motivieren, die in meinem Kopf herumspuken, aber die sanften Steigungen Sardiniens können einen nicht auf das vorbereiten, was einen hier erwartet.

Nach einiger Zeit überholen mich zwei Rennradler, die aber nicht sehr viel schneller sind als ich, so habe ich was wo ich versuchen kann dran zu bleiben. Das klappt auch ganz gut bis zur Mautstation, der Vorsprung beträgt nur wenig mehr als 500 Meter. Die Erholung auf dem flachen Teil vor der Mautstation funktioniert eigentlich ganz gut.

Dann klappt die Straße wieder mit gut 12% Steigung nach oben. Ich kenne die Strecke ja mittlerweile wirklich sehr gut, und habe echte Zweifel ob ich bis ganz hoch fahren werde. Die Trittfrequenz fällt schnell in den niedrigen 70er Bereich und sogar darunter. Ich hatte doch tatsächlich geglaubt, dass ich mich durch mein nun schon zwei Jahre anhaltendes regelmäßiges Training so verbessere, dass ich pro Jahr zwei Zähne an meinem größten Ritzel weglassen kann, aber ich fahre auf meinem 32er Sägeblatt und habe genauso zu kämpfen wie letztes Jahr um die Zeit.

Eins weiß ich jetzt schon zu 100 Prozent, ich werde auf keinen Fall bis zur Kaiser Franz-Josef’s Höhe fahren, egal was der Marco macht, mir reicht es wenn ich bis zum Hochtor komme.

Die Kilometersteine am Rand fließen zäh dahin, und als die erste Kehre kommt, habe ich schon wieder kurz den Gedanken umzukehren, zumindest habe ich keine Ahnung wie ich durchkommen soll, es ist einfach sauanstrengend. Die beiden Rennradler sind jedenfalls weg. Wenn die nicht irgendwo ins Auto gestiegen sind, dann haben die mich schön abgehängt.

Allerdings opfern sich vereinzelt ein paar Mountainbiker als Motivationshilfe. Mit kleinen Übersetzungen (meist eher Untersetzungen) kurbeln die den Berg hoch. Selbst mit meiner 32er Riesenkassette und müder 65er Trittfrequenz fliege ich regelrecht an denen vorbei. Eine Weile lenkt mich das etwas ab, außerdem sind ungewohnt viele Autos unterwegs, das super Wetter hat natürlich auch Nichtradler angespornt früh aufzustehen. Auch diese etwas nervenden Fahrzeuge lenken mich ab, so dass ich erst bei ca. 1800 Metern Höhe wieder merke, wie zäh es zu fahren ist.

Ich bin immer noch nicht sicher ob ich oben ankomme. In den Serpentinen, die ja wegen den Bussen hier sehr flach gebaut wurden versuche ich immer mich etwas zu erholen, das klappt auch bedingt, aber das Fahrgefühl ist kein Vergleich zum letztjährigen Glocknerkönig, wo ich hier regelrecht aggressiv gefahren bin. Ich fürchte die zwei Stundenmarke werde ich beim diesjährigen Glocknerkönig nicht knacken.

Dann kommt das untere Nassfeld, und es ist hier recht lange sehr steil, meine Erinnerung an diese Stelle hatte mich also nicht getäuscht. Am liebsten würde ich aufgeben, mich kurz ausruhen und dann wieder runter fahren. Die Trittfrequenz kann ich gerade noch bei 60 halten, manchmal blinkt die 5 vorne auf. Oje, warum passt sich der Körper nur so schnell wieder an das Flachlandgeradel an, dass ich bei mir zu Hause veranstalten muss.

Aber natürlich fahre ich weiter, und als nächstes Ziel hoffe ich auf die etwas flacheren Serpentinen im oberen Nassfeld, an die kann ich mich nämlich auch noch erinnern. Irgendwann öffnet sich der Blick auf’s Fuscher Törl, aber Enthusiasmus überfällt mich nicht gerade. Ich will zwar jetzt nicht mehr aufgeben, aber ich bin auch nicht sicher ob ich ohne Pause durchkomme. Wie es Marco wohl geht? Mit seiner Monsterübersetzung schätze ich seine Chance bis oben hinzukommen nur auf 75%. Aber der kann auch kämpfen.

Auch heißt natürlich, dass ich eben auch kämpfen kann, und so motiviere ich mich nochmal, und trete jetzt einfach so wie beim Ötztaler am Timmelsjoch. Auf die Straße gucken und irgendwie die Beine bewegen. Dann kommt die Stelle wo ich bei meiner allerersten Glocknerbefahrung Pause machen musste. Aus Trotz schalte ich hoch und gehe aus dem Sattel. Das sollte auch dem Rücken ganz gut tun, denn den spüre ich mittlerweile schon deutlich, da nützt auch alles Training im Fitnessstudio nix, Bergefahren kann man nur in den Bergen trainieren. Der Effekt des Wiegetritts auf das Ziehen im unteren Rücken ist allerdings geringer als gehofft.

Jetzt bin ich allerdings an dem Punkt, wo ich mit Sicherheit weiß, dass ich zumindest das Fuscher Törl erreichen werden, und dann geht der Rest auch noch irgendwie. Und dann kommt auch schon die letzte Kurve bevor es auf die „Zielgeraden“ zum Törl geht. Nochmal recht steil, aber im Wiegetritt wuchte ich mich hoch.

Zwischendurch hat mich noch eine Bergziege mit leichtem Simplon Pavo überholt, aber keine Chance mich dranzuhängen, auch der fliegt vorbei. Am Fuscher Törl vergesse ich gar die Zwischenzeit rechtzeitig zu nehmen, aber egal, jetzt erst mal etwas erholen in der Abfahrt zur Fuscher Lacke.

Die Sonne brennt ganz gut, auch wenn es ab ca. 2000 Metern Höhe etwas kühler wurde. Auf dem Schlussanstieg zum Hochtor pfeift allerdings ordentlicher Wind. Auch hier, wie schon vorher, läuft mir wegen dem dämlichen Helm immer wieder ein Sonnencreme/Schweiß Gemisch ins linke Auge, was heftig brennt, so dass ich häufig das räumliche Sehen aufgeben muss und das linke Auge zukneife. Zum Glück fährt man hier berghoch ja recht langsam, so dass die Auswirkung erstmal gering bleibt. Nerven tut’s trotzdem, vor allem als ich die Entfernung zu einem überholenden Bus falsch einschätze.

Rein statistisch gesehen ist wohl das Helmtragen zumindest in diesem Fall gefährlicher als der Verzicht auf den Helm, zumal es mir auch noch einen Sonnenbrand auf dem Kopf einbringt, was mit einer Mütze einfach zu vermeiden gewesen wäre.

Aber auch diese Gedanken, die ich im Geiste mit mir selbst diskutiere, können nicht vollständig von der Steigung ablenken, die bis zum Hochtor noch zu bewältigen ist. Der erste Teil geht einigermaßen, da die Erholung von der kurzen Abfahrt gut funktioniert hat, dann kommt der erste Tunnel und man kann bald das Hochtor sehen. Bis dahin sind dann aber noch zwei recht steile Abschnitte zu meistern, der letzte Teil vor dem Tunnel mit 14%.

Und dann endlich, endlich, endlich der Tunnel, das Hochtor, der ganz leicht abschüssig zum Ziel auf der anderen Seite führt. Im Tunnel singe ich „Rock’n’roll ain’t noise polution“ von AC/DC, warum auch immer, ich glaube mehr aus Erschöpfung als aus Erleichterung. Wind bläst mir entgegen, und dann Licht, der Tunnel ist zu Ende, das Ziel ist erreicht!! Ich bin tatsächlich oben angekommen, und mit 2:39 h von Kilometer Null aus nicht schlechter als letztes Jahr beim „Saisonauftakt“. Allerdings spüre ich keine Erleichterung, auch keine überschäumende Freude, sondern ich bin einfach nur froh, dass es vorbei ist.

Ich drücke einem Motorradfahrer die Kamera in die Hand für das obligatorische Passschildfoto. Letztes Jahr hat es um diese Zeit hier oben geschneit und gestürmt. Diesmal brennt die Sonne. Die kleine Bude mit der freundlichen Dame ist zwar nicht mehr da, aber es gibt ein neu gebautes Cafe mit zwei anderen freundlichen Damen. So setze ich mich in die Sonne, trinke einen Milchcafe nach dem anderen und warte auf Marco.

Ich fahre auf keinen Fall auf der anderen Seite runter und zur Kaiser Franz-Josef’s Höhe. Denn für über 3000 Höhenmeter ist mein Körper einfach noch nicht bereit. Ich hatte mir grob ausgerechnet wann Marco hier oben ankommen müsste, wenn er es denn durchzieht. Obwohl ich keinen rechten Hunger habe esse ich auch noch ein Stück Kuchen, als ein weiterer Rennradler oben ankommt. Ich Frage ihn ob er Marco gesehen hat, und er berichtet mir, dass der schon am Fuscher Törl ist. Geil, der hat’s tatsächlich durchgezogen.

Nach einiger Zeit treffen zwei weitere Radler ein und ich frage die auch nochmal, die berichten mir aber auch, dass sie Marco am Fuscher Törl getroffen habe, so dass ich mir nicht sicher bin ob er bis zum Hochtor durchfährt. So packe ich meine Klamotten zusammen und fahre zurück. Gerade als ich die paar Meter durch den Tunnel gefahren bin kommt mir Marco entgegen, so dass ich auf seinen letzten Metern im Tunnel noch ein Foto machen kann.

Und dann gibt es natürlich noch ein paar Passschildfotos…

Nach einer kurzen Ruhepause fahren wir zurück über das Fuscher Törl die Stichstraße hoch zur Edelweißspitze. Nachdem sich Marco mit seiner 39-27 bis zum Hochtor gekämpft hat, brauche ich ihn nicht zu überzeugen, dass wir das mit der Kaiser Franz-Josef’s Höhe heute besser lassen. Ich erzähle im, dass der Anstieg zur Edelweißspitze nicht sehr lange ist, und das der Straßenbelag aus Kopfsteinpflaster besteht. Das mit den 14% Steigung habe ich irgendwie vergessen zu erwähnen…

Die Abfahrt vom Hochtor hinunter zur Fuscher Lacke macht Spass, auch wenn ich mit den billigen alten Aksium Laufrädern nicht so schnell fahren kann. Auch der Gegenanstieg zum Fuscher Törl hinauf geht ganz gut, durch die lange Pause bin ich wieder gut erholt.

Dann kommt die letzte Steigung für heute. Die 14% Stellen sind schon hart, aber insgesamt ist diese Strecke immer ganz gut zu fahren und fühlt sich nicht schlechter an als die letzten Male. Marco, der etwas nach mir oben ankommt sieht das ganz anders. Er hat schwer geflucht, dass ich ihn nochmal da hoch geschickt habe. Mit 39-27 er Übersetzung und knapp 2000 Höhenmetern in den Beinen sind 14% auf Kopfsteinpflaster einfach kein Spaß. Aber letztlich hat er auch diese Steigung besiegt, so dass wir entspannt in der Sonne sitzen und lecker Germknödel essen. Und vor allem natürlich die fantastische Aussicht genießen. Bei diesem Wetter ist die Edelweißspitze einfach spektakulär.

Nachdem wir Sonne und Aussicht ausgiebig genossen haben geht es in die Abfahrt hinunter zurück nach Bruck. Es ist mittlerweile sehr windig, so dass wir keine spektakulären Geschwindigkeiten erreichen, aber es ist immer noch angenehm warm, so dass ich an der Mautstation Beinlinge und Handschuhe wieder ausziehe.

Der Rest ist lockeres Abfahren, und ein letztes Mal das Fahren in der alpinen Landschaft genießen. Dabei schießen wir noch einige Actionfotos.

Im Hotel angekommen, geht’s nach dem Duschen sofort ins Bett, ich bin wirklich platt und muss erst mal ein paar Stunden schlafen. Selbstverständlich gibt es zum Abschluss abends als Nachtisch noch einen Kaiserschmarrn.

Jetzt habe ich auch erst mal genug vom Radfahren, auch wenn die Touren auf Sardinien und der Abschluss hier am Glockner fantastisch waren. Es wird nicht ganz einfach werden sich wieder an die Radstrecken zu Hause zu gewöhnen, so ganz ohne Berge und Meer…

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