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Ultracycling und Alpenpaesse

Großglockner 2018

Nachdem ich in den letzten Wochen, ja fast Monaten abgesehen vom Buch recht schweigsam war im Blog gibt es endlich mal wieder was zu berichten.

Anfang März hatte ich das Rennradfahren, bzw. das Radfahren komplett eingestellt. Schon vorher hatte ich nur Phasen wo es mal einigermaßen brauchbar lief im Training, obwohl ich durch Caro meine neue Trainerin ja sogar frischen Input bekommen habe.

Aber ich musste feststellen, dass mir ein großes Ziel als Motivation fehlt, und dass meine innere Motivation, die unabhängig von äußeren Zielen immer der größte Antrieb war, vom 2017er RAAM regelrecht ausgebrannt war.
So habe ich beschlossen mit dem strukturierten Training bis Oktober zu pausieren und zu schauen ob sich bis dahin wieder Lust am Rennradfahren entwickelt.

Einige kleine aber hartnäckige Wehwehchen haben mich sowieso begleitet, so dass ich letztlich die sportliche Betätigung fast komplett eingestellt habe und versucht habe mir meine Genüsse über das Essen zu holen. Ich habe es wirklich genauso konsequent gemacht wie beim Radtraining, aber der Genuss, die Freude die man sich durch eine Tafel Schokolade (oder auch mal drei) zu Hause holt sind nicht zu vergleichen mit dem O-Saft oder Cappucino nach drei Stunden Nüchterntraining.

Kurzum, wenn man alles essen und trinken darf, und es vor allem auch macht, bleibt vom Genuss nichts mehr übrig. Allerdings bleibt das Plus in der Energiebilanz als Fett an den Hüften.

So war mir klar, dass ich meine eh sehr teuere Anmeldung beim Ötzi über ein Hotelpackage wieder stornieren werde, und das ich den Glocknerkönig trotz Anmeldung nicht fahren werde. Da ich aber auf dem Rückweg von Sardinien sowieso dort sein werde, werde ich Marco anfeuern wenn er dort fährt. So war der Plan.

Nun nach fast zwei Wochen Radfahren auf Sardinien bin ich gestern in Bruck angekommen. Auf Sardinien gab es wirklich kein Trainingslager sondern wir sind dort nur locker geradelt. Katrin hat ihre ersten ernsthaften Rennradkilometer zurückgelegt, und ich habe mit Marco ein paar Höhenmeter gesammelt. Dabei hat sich schnell gezeigt, dass ich zwar einerseits wieder Spaß am Radfahren gefunden habe, aber andererseits nicht sehr leistungsfähig bin und dazu noch 10 kg Übergewicht mit mir rumschleppe. Zusammen ergibt das ein erbärmliches Leistungsgewicht.

Spaß gemacht hat es trotzdem, doch hier, am Fuße des Großglockners, ist Spaß extrem abhängig vom Leistungsgewicht. Ganz kurz hatte ich tatsächlich überlegt trotz mangelnder Form den Glocknerkönig zu fahren, aber es macht natürlich keinen Sinn. Ich habe aber trotzdem die Startunterlagen geholt um mir die Möglichkeit offen zu halten und das eh bezahlte Startgeschenk abzuholen. Und eine Banane gab‘s ja auch noch dazu…

Mit meinem für einen Wettkampf viel zu schweren Fahrrad (und dem viel zu schweren Fahrer) und dem Plan mit Katrin bis zur Mautstation zu fahren bin ich dann heute mittag losgefahren. Das Katrin nach zwei Wochen Rennradfahren in knapp 50 Minuten bis zur Mautstation durchgezogen hat ist schon richtig gut. Die für mich dann doch recht lockere Anfahrt in den zweiten Teil des Glockneranstiegs habe ich aber genutzt um weiterzufahren und wenigstens mal wieder zu schauen wie sich ein richtiger Berg anfühlt auf dem Rad.

Anfangs, wenn noch genug Kohlenhydrate da sind, kann man das Übergewicht noch durch Mehrleistung kompensieren, aber da ja auch die Leistungsfähigkeit von Muskulatur und kardiovaskulärem System niedriger ist als gewohnt, ist es damit schnell vorbei.

Wie sich das anfühlt wollte ich auch noch erfahren, so dass ich schon so zwei, drei Kilometer in den Anstieg hinter der Mautstation fahren wollte. Letztlich bin ich bis zur ersten Kehre gefahren und habe dann überlegt umzukehren, dann hätte ich immer noch die Möglichkeit morgen den Glocknerkönig zu bestreiten, fahre ich weiter fahre ich mich kaputt, dass ist klar.

An der Kehre kehre ich aber nicht um, ich fahre morgen also definitiv nicht. Ich probiere mal wie weit ich komme. Ich fahre sehr langsam, es ist bewölkt und angenehm kühl, auch wenn der Himmel immer mit Regen droht und es gewittrig aussieht.

Ich fahre recht langsam. Das langsame Fahren kommt nicht etwa durch den kleinen Gang bei noch brauchbarer Trittfrequenz, sondern durch viel zu niedrige 50 Umdrehungen aber im kleinen Gang (34-32). In den vielen Abschnitten mit 10-12% kann ich mit meinen 230 bis 260 Watt das wenig optimierte Roubaix SL4 mit den schweren Billiglaufrädern und meinen noch weniger optimierten Körper nicht mit höherer Frequenz vorwärts bewegen.

Ich fahre trotzdem weiter, denn noch habe ich nicht das Bedürfnis abzusteigen. Das letzte mal, dass ich an einem Berg stehen geblieben bin, muss lange her sein. Ich glaube das war am Monte Zoncolan in einer Kehre bei 25% am Ende einer Peakbreaketappe. Jetzt will ich auch nicht stehenbleiben, ich will aber auch nicht bis oben hinfahren. Ich überlege ob ich versuchen sollte bis zur Pifkar zu fahren, da wird es kurz flach, das liegt so ca. bei Kilometer 20.

Ich kurbele mich tatsächlich bis dorthin. Es gibt immer mal Abschnitte die keine zweistelligen Steigungsprozente aufweisen, so dass ich zwischendurch auch mal vernünftig fahren kann. Bis 8% geht es eigentlich trotz schlechten Leistungsgewichtes ganz gut.

Die Pifkar liegt ungefähr bei Kilometer 19,7 ich fahre noch weiter, die 20 will ich noch voll machen und mal schauen wie der direkt folgende steile Abschnitt geht. Geht schwer, aber ich habe nicht das Gefühl ich müsste absteigen. Jetzt sind es noch gut 7 Kilometer bis zum Ziel des Glocknerkönigs am Fuscher Törl.

Vielleicht sollte ich versuchen bis zur 5km Marke zu kommen? Noch kann ich tatsächlich weiterfahren, allerdings mit sehr niedriger Trittfrequenz. Es wäre schon interessant herauszufinden wie lange ich in meinem jetzigen Zustand bis oben hin brauche.

So lege ich in Gedanken versunken die einzelnen Abschnitte zurück, es kommt die 5 km Marke, es kommt sogar die 4 km Marke. Es kommt erstmals der Gedanke ich könnte bis oben hin fahren. Allerdings merke ich die Höhe. Sie nimmt mir so ca. 20 Watt. Da ich eh nur wenig Reserve habe, sinkt meine Trittleistung manchmal bis knapp unter die 200 Watt Marke. Nun wird es kritisch und ich kann das hohe Gesamtgewicht nur Mühsam vorwärts wuchten.

Nein, das wäre wirklich nicht das, was ich mir unter einem Wettkampf vorstelle, so den Berg hochzukriechen. Ein Halten der Startgruppe wäre völlig illusorisch. Auch die 2. Startgruppe, für die man unter zwei Stunden fahren muss ist unmöglich. Ich schätze, so 2:30 h könnte ich heute fahren, wenn ich bis oben hin durchziehen kann.

Ein paar Bilder kann ich machen, es tut auch nichts weh, ich kurbele langsam nach oben. Es ist sehr frisch, was mir aber gerade recht ist. Meine Beine sind interessanterweise der begrenzende Faktor, Lunge und Kopf sind locker in der Toleranz. Ich kann mir aber nicht vorstellen, wie es wäre wenn ich richtig um eine Zeit kämpfen würde. Der Wettkampfgedanke ist mir gerade recht fern, also selbst wenn ich morgen fahren würde, müsste ich erst mal in diesen Wettkampfmodus schalten können und dann irgendwie die mentale Stärke finden um den Kampf am Limit auszuhalten. Völlig unvorstellbar.

So kurbele ich nach oben bis zum unteren Nassfeld, auch die dann folgende unangenehme lange Strecke bis zur nächsten Kehre geht vom Kopf her gut, von den Beinen gerade so. Dann bin ich auch schon an der Edelweißwand.

Jetzt ist klar, dass ich bis oben hin fahre. An den Abschnitten unter 10% geht das auch ganz gut, aber sobald es steiler wird bin ich echt an der Grenze. Aber das nahende Ziel und das schöne Gefühl endlich mal wieder einfach so einen Alpenpass zu fahren bringen eine Leistung von ca. 230 Watt auf die Pedale.
Damit kann ich auch die steileren Abschnitte noch bewältigen, auch wenn der Schlussanstieg zum Fuscher Törl, und damit dem Ziel des Glocknerkönigs morgen, wirklich nur gerade so geht.

Aber ich schaffe es tatsächlich bis dorthin, halte aber nicht an, sondern versuche jetzt auch wirklich zur Passhöhe zu fahren, sprich zum Hochtor. Die kurze Zwischenabfahrt runter zur Fuscher Lacke ist zwar sehr kalt, aber gleich danach geht es wieder sehr steil bergauf und somit werde ich schnell wieder warm.

Im Anstieg zum ersten Tunnel merke ich, das es wirklich knapp wird, meine Kräfte sind doch am Ende, aber ich beiße mich durch bis zum etwas flacheren Abschnitt nach dem Tunnel.

Dann geht es in den Schlussanstieg hinauf zum Hochtor. Ich freue mich über jede erreichte Serpentine. In den letzten 400 Metern Schlussanstieg kann ich gerade noch die Kraft aufbringen um mich hochzukurbeln, aber dann ist der Tunnel und schließlich auch das Passschild auf der anderen Seite erreicht. Eigentlich sensationell, dass ich tatsächlich in meinem Zustand bis hoch gekommen bin. Ich habe knapp 2:50 h gebraucht. Klar, keine Zeit mit der man angeben könnte, aber für einen Mann meines Alters in momentan mäßigem Trainingszustand gar nicht so furchtbar schlecht. Ein bisschen Grundlagenausdauer ist mir aus den letzten neun Jahren Training dann doch noch geblieben.

Vor allem aber hat es Spaß gemacht und ich könnte mir vorstellen doch noch mal den Weg zurück auf‘s Rennrad zu finden…

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2 Kommentare

  1. Claudia K. 3. Juni 2018

    Hi Guido,
    schöner Artikel! Anja hat mir von deinen Verletzungen/ Schmerzen/Wehwehchen erzählt.
    Es freut mich zu lesen, dass es dir wieder besser geht und du die Strecke komplett hoch gefahren bist!

  2. Gerald 4. Juni 2018

    Na also, geht doch. Und bis zum Ötzi sind ja noch knapp 2 1/2 Monate …

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