steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

Großlockner 2018 die Zweite

Am 03.06. also vor gut zwei Monaten bin ich den Glocknerkönig mit 88,5 Kg gefahren. Ein seltsames Erlebnis, einene Wettkampf mit 10kg Übergewicht und so emotionslos zu fahren. Das Jahr nach dem Race Across America ist halt immer von großen Schwankungen geprägt, Stimmung, Form, Motivation, alles schlägt in beide Richtungen heftiger aus als normal.

Da ich durch den Sardinienurlaub wieder den Einstieg ins Rennradfahren gefunden habe, und die Auffahrten auf der Glocknerstraße mich zusätzlich etwas motiviert haben, habe ich mich doch bemüht wieder auf Normalgewicht zu kommen. Einzige Methode bestand darin, die Kalorienbilanz leicht negativ zu halten, und vor allem etwas mehr Bewegung in Form von eher lockerem Fahrradfahren zu bekommen als in den Wochen vor dem Urlaub.

Das hat auch sehr gut geklappt, so dass ich über einen Zeitraum von zwei Monaten die 10 kg wieder abgenommen habe. Allerdings habe ich nicht strukturiert trainiert, sondern nur mal hier eine Stunde G1 auf dem Kickr und da mal eine Ausfahrt mit Katrin oder Meike gemacht. D.h. so richtig gefordert habe ich mich nicht. Es ging mir mehr um die Kalorienbilanz als um Leistungsverbesserung. Nach Erreichen der 10kg Marke wollte ich mich gerne mit einem schönen Pässewochenende belohnen. Leider hat es zeitlich nicht so recht geklappt, oder das Wetter war wirklich schlecht, so dass ich schon befürchtete, es wird nichts mehr, da hat sich spontan die Möglichkeit ergeben mit Marco zur Glocknerstraße zu fahren.

Das bietet natürlich die Möglichkeit direkt zu vergleichen mit dem ersten Juni Wochenende. Perfekt.

Nach der Anreise gestern sind wir nochmal eine Runde um den Zeller See gefahren und dann hat mir das auf über 50° aufgeheizte Trinkwasser und die lange Anfahrt im unklimatisierten Auto doch etwas zugesetzt, so dass ich schon um 19 Uhr im Bett lag und nichts rechtes mehr essen konnte. Mal schauen wie sich das auf das Fahren heute auswirkt.

Um kurz nach 8 Uhr sitzen wir auf dem Rad. Marco und ich. Das Wetter ist schön, noch ist es auch nicht zu warm. Wir rollen eher locker von Bruck in Richtung Fusch. Ich merke schon, in Superform bin ich nicht gerade, aber zusammen mit der Tatsache, dass ich nun 10 kg leichter bin als vor zwei Monaten sollte das lockere Radeln doch etwas Grundlage geschaffen haben. Hoffe ich.

Wir genießen die Kilometer bis zum Kraftwerk Bärenwerk. Kurz dahinter fängt die Steigung an. Wir verabreden uns am Hochtor und dann fährt jeder seinen Rhythmus in den Anstieg. Es ist erstaunlich anstrengend. Nicht, dass das schon mal anders gewesen wäre, aber man vergisst es so leicht.

Mir scheint, die Leistung liegt etwas höher als vor zwei Monaten, aber von den 10 kg weniger spüre ich nichts. Beim Glocknerkönig bin ich 2:04 h bis zum Fuscher Törl gefahren, jetzt sollte es eigentlich fast locker unter 2 Stunden gehen. Locker geht aber gar nichts.

Ich kämpfe mich die ersten steileren Abschnitte nach oben und freue mich über die flacheren Stellen. Vor zwei Monaten hatte ich hier Katrin noch „hochmoderiert“, und sie hatte sich nach nur zwei, drei Wochen Rennrad recht achtbar bis zur Mautstation geschlagen, jetzt fahre ich relativ auf dem gleichen Anstrengungsniveau und weiß ihre Leistung um so mehr zu schätzen.

Es dauert doch 40 Minuten bis ich die Mautstation erreicht habe, das ist natürlich sehr viel. So wird das nichts mit zwei Stunden bis zum Glocknerkönigziel…

Noch immer muss man als Radfahrer wie Weidevieh durch ein Gatter, ich gehe davon aus, dass die Schranke von selbst aufgeht, tut sie aber nicht und prompt lege ich mich auf die Nase. Man muss irgendwo einen Knopf drücken, den habe ich aber übersehen. Ich fluche auf die Schwachköpfe hier im Tourismusbüro der Glocknerstraße, die sich diese Schikane für Radfahrer überhaupt ausgedacht haben, und beschließe, dass es die letzte Fahrt hierunter nach Bruck war. (Habe ich damals schon gesagt, als sie dieses schwachsinnige Gatter aufgebaut haben, aber diesmal meine ich es ernst. Radfahrer werden hier eher als Störung des Autoverkehrs wahrgenommen).

So bin ich noch geladen, während ich die ersten zwei steilen Kilometer hochfahre. Die Glocknerstraße ist schon eine Herausforderung, vergisst man leicht, wenn man sie schon so oft gefahren ist.

Bis zur ersten Kehre muss ich ganz schön kämpfen. Es sind leider kaum Radfahrer hier unterwegs heute, nur ein paar Trekkingbikefahrer, die sind keine große Hilfe. Die Wattanzeige zeigt gefühlt deutlich mehr an als vor zwei Monaten, ich bin deutlich leichter, aber ich bin keineswegs deutlich schneller. Seltsam.

Ich schraube mich aber weiter nach oben, Abschnitt für Abschnitt. Nach Kehre 1 kommen noch weitere Kehren, dann geht es wieder recht lange in eine Richtung und auch recht steil. Ich denke gar nicht so sehr über die Zeit nach, sondern versuche überhaupt erst mal hochzukommen. Ab und zu überhole ich einen MTB-Fahrer oder einen sehr langsamen Rennradfahrer/Ranndoneur, aber niemand der mich etwas provozieren könnte, ein bisschen motivieren könnte.

Das Wetter ist super, mittlerweile ist es zwar wärmer geworden, aber je höher ich komme, desto kühler wird es wieder, und auch an dem fiesen langen steilen Stück nach der ersten Kehre am unteren Nassfeld passt die Temperatur. Zum Glück, denn hier heißt es kämpfen. Dann bietet sich aber auch schon ein schöner Blick auf den Beginn des „Motodroms“, den Schlusskehren die man vom Fuscher Törl komplett einsehen kann.

Aber erst mal sind noch einige Höhenmeter zu überwinden. Es dauert gefühlt ewig, bis ich die Edelweißwand erreiche, aber jetzt bin ich sehr zuversichtlich, dass ich bis zum Hochtor, dem ersten Ziel für heute komme. Die lange Gerade an der Edelweißwand entlang ist steiler als gedacht und ich kämpfe, bis ich die erste Serpentine des „Motodroms“ erreiche. Von hier hat man einen schönen Blick auf das Fuscher Törl, allerdings zeigt dieser Blick auch, wieviel Höhenmeter noch zu bewältigen sind.

Ich bin jetzt nicht beim Glocknerkönig, so das Extrakräfte freigesetzt werden, sondern ich tapfer weiterkämpfen muss um da oben überhaupt anzukommen. Das gelingt aber ganz gut, auch wenn der letzte Kilometer nochmal erstaunlich zäh ist. Zwischendurch hatte ich schon die Bremse hinten und vorne geöffnet, weil es sich angefühlt hatte als ob die zu wäre, war sie aber nicht, sondern das Problem sind wohl eher die Beine…

Schließlich aber erreiche ich endlich das Fuscher Törl und an der Ziellinie vom Glocknerkönig nehme ich ich die Zeit. Genau 2 Stunden. Also 4 Minuten besser als beim Wettkampf und 25 Minuten besser als der Auffahrt am Tag davor, wo ich allerdings bis zur Mautstation mit Katrin gefahren bin, ergo etwas langsamer.

Ich habe mich also schon etwas verbessert und das geringere Gewicht hilft auch, aber ob ich im Wettkampf dann wirklich was reißen könnte, ich glaube nein, der Kopf gibt es nicht her, aber zweite Startgruppe wäre drin…

Ich halte natürlich nicht an, sondern fahre direkt weiter, mein Ziel ist ja erstmal das Hochtor. Die kleine Zwischenabfahrt geht gut, auch wenn ich zuerst vergesse, die Bremse wieder zuzumachen, aber ich merke es noch vor der ersten richtigen Kurve.

Auch der Anstieg geht ganz gut, jetzt sind die Systeme anscheinend hochgefahren, und so komme ich trotz Gegenwinds ganz gut voran und habe nach gut 21 Minuten das Hochtor erreicht. Insgesamt habe ich also von Kilometer 0 der Glocknerstraße bis zur Passhöhe gut 2:21 h gebraucht. Vor zwei Monaten waren es fast 2:50 h. Das ist schon eine solide Verbesserung. Wieviel davon auf das Gewicht geht und wieviel auf eine Leistungssteigerung muss ich mir noch genau anschauen.

Jetzt gibt es aber erst mal zur Belohnung einen Kaffee. Der schmeckt aber widerlich bitter. Ich trinke ihn trotzdem. Kurze Zeit später trifft Marco ein. Wir machen noch kurz Pause und fahren dann weiter zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe.

Zunächst können wir es in der Abfahrt richtig rollen lassen. Mittlerweile ist es sehr warm, und auf dieser Seite des Berges knallt die Sonne immer ein bisschen heftiger. Am Kreisel wo sich die Straße teilt fahren wir nicht weiter hinunter nach Heiligenblut, sondern wieder bergauf. Der Anstieg zieht auch gleich mal an. Allerdings gibt es immer wieder flachere bis flache Stellen an denen man sich gut erholen kann. Wieder fährt jeder seinen eigenen Rhythmus berghoch.

Landschaftlich finde ich den Weg zur Pasterze wirklich schön. Ich bin allerdings nicht der einzige, und jetzt zur Urlaubszeit herrscht doch recht lebhafter Verkehr. Nicht umsonst gibt es oben am Gletscher ein großes Parkhaus.

Die Beine funktionieren ganz gut, aber es gibt doch zwei, drei schwerere Abschnitte, vor allem der Schlussanstieg durch die Lawinengallerie ist nochmal deutlich zweistellig. Dann ist aber auch das geschafft, und bei schönstem Wetter warte ich auf Marco und dann essen wir eine Kleinigkeit. Insgesamt haben wir jetzt über 2300 Höhenmeter in den Beinen.

Der Rückweg zum Hochtor beinhaltet nicht nur fast 600 weitere Höhenmeter, sondern ist nach meinem empfinden auch der unangenehmste Teil der Glocknerstraße. Zunächst genießen wir die Abfahrt, machen noch ein paar Fotos von der herrlichen Landschaft, doch schon direkt nach dem Kreisel klappt eine lange Gerade mit 14% nach oben. Offiziell gibt es an der Glocknerstraße nur Steigungen bis 12 % aber hier haben bis jetzt alle Radcomputer immer 15% angezeigt. Da die gerne mal ein Prozent zuviel anzeigen, bin ich ziemlich sicher, dass dieser Abschnitt 14% hat.

Anyway, ich überhole zwei übergewichtige Rennradler (jetzt kann ich das so schreiben, da ich selbst wieder halbwegs Normalgewicht habe) und nach der ersten Kehre geht es steil, aber nicht mehr ganz so brutal weiter. Mit jedem Meter gewinnt man deutlich Höhe und die Aussicht wird spektakulärer.

Aber die Steigung lässt auch selten nach. Hundert Meter um hundert Meter schraubt man sich nach oben und die Passhöhe, das Hochtor, scheint unendlich weit weg. Es ist nochmal etwas wärmer als auf dem Weg zur Franz-Josefs-Höhe, aber mit 27° hält es sich eigentlich noch in Grenzen.

Ich kämpfe mich langsam nach oben, die Beine funktionieren jetzt wieder ganz gut. So kann ich im Schnitt immerhin noch 250, 260 Watt bergauf treten. Und auch wenn es sich zäh anfühlt, so dauert es doch keine Stunde und das Hochtor ist ein weiteres Mal erreicht.

Nach kurzer Pause geht es weiter, nur noch der Gegenanstieg zum Fuscher Törl und dann schön locker den Berg runterrollen. So sammeln wir über 3100 Höhenmeter. Nicht schlecht. Und die Abfahrt macht auch Spaß. Die Laufräder taugen zwar nichts (einfache Shimano RS11), vor allem das Hinterrad ist recht weich, was man in der Abfahrt deutlich merkt, aber ein bisschen Speed kann man schon aufnehmen, und, wenn der Verkehr es zulässt, Autos und Motorradfahrer außen in der Kehre überholen. Hat irgendwie was…

Im Hotel angekommen, merke ich, dass ich doch ziemlich geschlaucht bin. Zwar erhole ich mich immer recht schnell, aber muskulär spüre ich es deutlich, der Rücken zuckt etwas, und das linke Knie, meine größte Schwachstelle, hatte während der Anstiege das ein oder andere Mal heftig über die Belastung gemault.

Mal schauen wie wir den zweiten Tag nutzen werden. Rüberfahren nach Heiligenblut und wieder zurück wären ja nochmal deutlich über 3000 Höhenmeter. Ich werden einfach hören was meine Beine mir sagen.

Alles in allem ein wirklich schöner Radtag. Auch wenn ich auf etwas bessere Form gehofft hatte, aber ohne „richtiges“ Training kommt die nicht. Zu meinem Trost befinde ich mich ja immer noch im Nach-RAAM-Jahr, da sind die Systeme immer noch am regenieren…

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