steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

Peakbreak 2012 – 4. Etappe

Die heutige Etappe könnte man als Regenerationstag bezeichnen, denn mit 91 Kilometern ist es die kürzeste, abgesehen vom Zeitfahren gestern. Außerdem ist auch mit dem Staller Sattel nur ein Anstieg, insgesamt etwa 1500 Höhenmeter, zu bewältigen.

Wir starten wieder in Bruneck am Stadttor. Es hat etwas zu regnen angefangen. Auch gestern abend hat es schon geregnet und zwar heftig, so dass die Rennleitung beschlossen hat, den Start nicht wie geplant schon nach 100 Metern freizugeben, sondern über den ganzen Wirtschaftsweg und bis hin nach Olang neutralisiert zu fahren.

Ich überlege kurz ob Regenjacke oder nicht, aber da es erst mal gut 37 Kilometer berghoch geht lasse ich sie aus, denn das ist schlicht zu warm. Auch wenn mir die Temperaturen mit um die 20° heute deutlich mehr entgegenkommen als die Hitze die Tage zuvor.

So fahren wir zunächst durch die schöne Altstadt von Bruneck und dann den ersten Teil der Strecke, die wir gestern schon einzel gefahren sind. Ich fahre ziemlich weit vorne, so zwei, drei Positionen hinter dem Führungsfahrzeug, vor mir nur die beiden Leadertrikots, also die Gesamtführenden m/w.

In der Gruppe ist die Strecke wirklich nicht ohne, da sehr schmal und teils mit schlechtem Belag, immer wieder zwängt sich mal in der Abfahrt einer nach vorne, dann geht es wieder sehr steil berghoch und es staut sich etwas, so dass man schon recht aufmerksam fahren muss.

Die Beine fühlen sich ok an. Dann nach etlichen Kilometern wird der Start in Olang endlich freigegeben. Zunächst bleibt die Gruppe vorne zusammen, das Tempo zieht immer mal wieder etwas an. Meine rechte Patellasehne meldet sich kurz. Na kommen jetzt die ersten Zipperlein? Ich versuche die Position im Schuh etwas zu verändern, und hoffe, dass es gleich weg geht.

Zwei sind vorne wohl rausgefahren, die anderen ziehen aber nicht hinter her. Im Gegenteil, die Spitzengruppe wird immer langsamer. Selbst die Spitzenfahrer scheinen sich heute wohl schonen zu wollen für die kommenden Tage.

Ich habe mir nichts spezielles vorgenommen für heute, aber der Plan ist bis zum Staller Sattel oben wie ein Einzelzeitfahren zu fahren, und dann irgendwie eine Gruppe zu erwischen um die 55 Kilometer bergab und flach gut rumzubringen.

Ein Fahrer zieht gerade recht schnell links vorbei, ich fahre ziemlich vorne, da ich mal gucken wollte warum es so langsam ist. Er schaut sich um und scheint jemanden zu suchen um mit einer Gruppe zu gehen. Er findet einen, und ich hänge mich auch noch dran, und so setzen wir uns vom Feld ab. Die beiden Jungs treten aber brutal rein, und an einer leichten Steigung muss ich über 450 Watt treten um dranzubleiben, also lasse ich reißen und will mich wieder zum Feld zurückfallen lassen.

Das ist aber jetzt schon ein ganzes Stück weg, und die beiden werden wieder etwas langsamer, außerdem wird es wieder flacher. So gebe ich noch mal richtig Gas und versuche wieder an die beiden dranzukommen. Und mit Gewalt schaffe ich das auch.

Ja und dann hauen wir eigentlich ganz gut rein. Eben habe ich noch über meine Patellasehne nachgedacht, und jetzt fahre ich gerade in einer Fluchtgruppe mit 350 Watt und mehr. Ich versuche etwas zu dosieren, will aber auch dranbleiben. Wir wechseln auch, aber zumindest einer will offensichtlich lieber vorne fahren, mir nur recht, habe eh manchmal Probleme überhaupt dranzubleiben.

Ich denke mir halt, wenn es richtig in die Steigung geht holen mich die guten Kletterer sowieso, und desto weiter vor denen ich im Berg bin, desto längert dauert das, so habe ich vielleicht Glück und kann dann oben noch eine Gruppe mit starken Fahrern erwischen. Na oder so ähnlich stelle ich mir das halt vor.

Die Kilometer vergehen wie im Flug, die Leistung die ich treten muss ist eigentlich viel zu hoch, auch hinten, denn meist geht es doch etwas bergauf, so dass eigentlich immer die 300 oder mehr auf dem Wattmeter steht. So kann man sich natürlich auch plattfahren.

Aber es macht auch tierisch Spaß mit einer Gruppe wegzuziehen und das Feld hinter sich zu lassen. So geißeln wir bis Kilometer 25 oder 26. Mittlerweile geht es schon recht ordentlich bergauf, und am Berg bin ich gar nicht so viel schwächer als die beiden anderen.

Bei Kilometer 27 kommt dann allerdings eine Schar von starken Fahrern, die bis jetzt im Feld gefahren sind an mir vorbei. Zwischendurch war es mal ein bisschen nass, dann ist es wieder trocken, das wechselt. Leider mag meine Sonenbrille das gar nicht, die ist komplett angelaufen und ich sehe weder was auf dem Radcomputer steht, noch sonst was. Nur schemenhaft das graue Asphaltband und immer wieder bunte Objekte, die sich erstaunlich schnell an mir vorbeibewegen.

Oje, muss ich jetzt für meine Flucht mit den beiden bezahlen? Mit viel Wischen und komplizierten Kopfbewegungen gelingt es mir die Zahl auf dem Wattmeter zu entziffern 285. Geht doch noch. Manchmal trete ich auch 300 und mehr, aber diese Horde starker Fahrer zieht einfach weg. Was die wohl für Leistungen treten?

Ich fahre weiter meinen Stiefel. Ich denke wirklich wie beim Einzelzeitfahren gestern, versuche konstant meine Leistung zu treten. Das klappt auch ganz gut, denn nachdem die starken weg sind kommt erst mal nichts mehr nach. Ich schätze so dreißig Fahrer sind jetzt ungefähr vor mir. Die Steigung nimmt jetzt stetig zu, aber es wird nie so unbarmherzig steil wie einige male die Tage zuvor. Die Beine fühlen sich eigentlich sehr gut an. Und bis zur Passhöhe sind es ja noch nicht mal mehr 10 Kilometer.

Auch jetzt noch zählen die Kilometer eigentlich ganz gut runter. In den Stallersattel rein geht es vorbei an einer Ampelschaltung mit der immer nur stoßweiße Fahrzeuge eingelassen werden, da die Straße sehr schmal ist, und keine zwei Autos aneinander vorbeifahren können. Für uns gilt diese Ampel nicht, wir dürfen durchfahren.

Ich bin hier noch nie gefahren, aber ich fühle mich sehr wohl auf diesem Anstieg. Mal zieht es etwas an, dann gibt es aber auch wieder etwas weniger steile Stücke. Dort versuche ich die Leistung hochzuhalten. So kann ich sogar noch den einen oder anderen Fahrer wieder einholen. Allerdings kommt auch immer mal wieder einer von hinten vorbei.

An einem kleinen See wird die Strecke komplett flach, es gibt sogar eine kleine Abfahrt. Ich bin erstaunt, wie weit wir schon sind, und das die Passhöhe ja nur noch ein paar Kilometer entfernt ist. Ich habe in diesem Teil einen Fahrer vor mir. Ich versuche auch etwas Arbeit im Wind zu leisten, aber er will gar nicht an mein Hinterrad, also bleibe ich an seinem und versuche noch ein paar Körner für den Schlussanstieg zu sparen.

Ich hatte drei Flaschen mitgenommen, vielleicht ein Fehler, denn die Temperaturen sind angenehm kühl, an manchen stellen ist es feucht, was weitere Abkühlung bringt, ich brauche gar nicht soviel zu trinken. Mist, mindestens ein dreiviertel Kilo zuviel den Berg hochgeschleppt.

Anyway, die Beine sind immer noch gut. Und das jetzt schon den vierten Tag, ich bin echt erstaunt. Aber noch bin ich nicht oben, und vor allem noch lange nicht im Ziel. Aber auch im jetzt folgenden Abschnitt, wo es wieder ordentlich bergauf geht, läuft es sehr gut. Ich kann sogar etwas zulegen. Wir fahren durch einen kleinen Tunnel, und dann sind es nur noch zwei Kilometer, aber schon noch einige Kehren. Die Beine gehen wie Sau, heute liegts definitv an der Temperatur. Ich glaube die zehn Grad weniger bringen mir locker 20 Watt mehr Leistung.

Oben kurz vor der Passhöhe sind drei Fahrer vor mir, wäre gut wenn ich da für die Abfahrt irgendwie drankommen könnte. Dann sind wir auch schon oben, die anderen sind ein paar Sekunden vor mir. Jetzt macht sich aber die dritte Flasche bezahlt, ich schmeiße eine in die Abwurfzone und bekomme eine gereicht, so dass ich gar nicht wirklich halten muss, sondern gleich in die Abfahrt gehen kann.

Da stehen die drei am Straßenrand, offensichtlich hat einer ein Problem, ich bremse ab und Frage ob alles ok ist, aber da ist der Stefan dabei, der meint nur Guido fahr weiter, und kurze Zeit darauf kommt er von hinten angerauscht.

Hier geht es jetzt ganz ordentlich bergab, aber der Straßenbelag ist teils schlecht. Ich versuche am Stefan dranzubleiben, aber in den flacheren Stücken fährt er zu stark für mich, und zu allem Überfluss fährt er auch noch besser bergab. So habe ich keine Chance mich dranzuhängen.

Hier geht es jetzt aber eh so steil bergab, dass das erst mal nicht so schlimm ist. Ich gehe auch wenig Risiko bei der Abfahrt ein, zumal es teils nass ist. Gerade kurz bevor es wieder etwas flacher wird zieht einer von hinten vorbei, deutlich schneller als ich, so dass der Abstand gleich sehr groß ist. Die Straße flacht ab, aber da komme ich nicht mehr dran. Dann kommt noch einer, auch hier ist der Abstand schnell groß, aber der erste wartet auf den zweiten, und ich versuche mit Gewalt an das Hinterrad des zweiten zu kommen.

Wenn er den ersten Fahrer erreicht bevor ich an seinem Hinterrad bin sind die zwei weg. Wenn ich irgendwie rankomme, können wir vielleicht zu dritt zusammenarbeiten. Der Leistungsmesser springt über die 500 Wattmarke und ich muss echt blockern, aber irgendwie komme ich ran.

So jetzt muss ich nur sehen, dass ich hier mithalten kann. Aber das klappt super. Zwar sind die anderen beiden stärker als ich, aber im Wind gebe ich alles um das Tempo zu halten und führe halt etwas kürzer als die anderen beiden. So blasen wir dahin. Da es ja immer, wenn auch oft nur leicht, bergab geht, liegt das Tempo zwischen 40 und 50 km/h je nach Gefälle, selten mal darunter.

Die Straße hier ist trocken, einige wenige Gegenanstiege gibt es, die allerdings mit ordentlich Power hochgedrückt werden. Ich hoffe ich halte durch und kann in der Gruppe bleiben. Aber auch wenn ich nicht so lange führe wie die anderen beiden, so gebe ich im Wind doch alles, zwischen 300 und 380 Watt. Dumm nur, dass mir irgendwie ein Gang fehlt, schalte ich hoch ist es zu schwer, schalte ich runter muss ich mit 105er bis 110er Trittfrequenz treten um die Leistung zu halten.

Im Windschatten kann ich mich immer wieder gut erholen, dort muss man oft nur 200 Watt oder noch weniger treten. Das liegt mir sehr, erholen, im Wind powern und wieder erholen. Die Kilometer fliegen dahin. Allerdings schaffe ich es gerade so im Windschatten mal was zu trinken, einen Riegel verliere ich, ein halbes Gel geht gerade so rein.

An einem etwas steileren Stück und anschließender scharfen Rechtskurve irgendwo bei Kilometer 75 rum verliere ich die beiden fast, aber sie warten auf mich, so dass wir weiter zusammen in Richtung Lienz blasen können. Mein Rücken ziept etwas links, ich liege meist auf dem Rad wie bei einem Zeitfahren mit Aerolenker, das ist der nicht gewohnt. Ich ignoriere es und das scheint zu helfen.

Bei Kilometer 80 herum merke ich, wie ich an meine Grenze komme, aber es sind nur noch zehn Kilometer bis ins Ziel, die schaffe ich auch noch. Ich gebe halt etwas früher ab. Mir scheint nur, dass die Führenden im Klassement sich heute auffallend geschont haben, ob das wohl die Erfahrung von einigen Etappenrennen ist, und daraus folgt, dass ich morgen dann doch irgendwann mal für meine optimistische Fahrweise bezahlen muss?

Egal, sehe ich dann, außerdem macht es tierisch Spaß. Kilometer 90 ist erreicht, nochmal geht es scharf nach rechts hinauf zum Schloß. Eine letzte steile Rampe, und der Zielsprecher ist schon zu hören. So fahren wir nach ca. drei Stunden und acht Minuten ins Ziel. Das war richtig geil, die Gruppe hat super funktioniert, und auch wenn wir nicht alle drei gleich stark waren, so hat doch jeder für das Tempo gearbeitet, und gegeben was er drin hatte. So macht Radsport spaß…

Wie gestern auch finde ich die Stimmung im Zielbereich super. Die Musik ist gut (meistens jedenfalls), der  Zielsprecher macht einen super Job. Egal wie lange der schon dasteht, immer fällt ihm zu jedem Fahrer was motivierendes ein, und peitscht ihn nochmal ins Ziel.

Wir freuen uns im Ziel gemeinsam über diesen Ritt, und dann muss ich erst mal mit Melone, Banane und Kuchen etwas Energie tanken.

Mein Hotel ist heute leider etwas außerhalb, aber ich nutze das um auszufahren, außerdem gibt es dort ein ordentliches Restaurant, so dass ich mir heute mal ums Essen keine Sorgen machen muss.

Wie ich morgen den Glockner hochkomme, das wird eine spannende Frage. Der erste Berg des Peakbreak, den ich schon kenne. Die Seite von Heiligenblut mag ich eigentlich nur bis zum Abzweig Franz-Josefs-Höhe, dann wird es ätzend. Ich hoffe meine Form hält so an, dann kann ich mich hoffentlich im Mittelfeld behaupten.

Heute ist es tatsächlich der 32. Platz mit einer Zeit von 3:07:25,3 h geworden.

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