steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

Peakbreak 2013 Etappe 2

Heute starten wir von der gleichen Stelle wie gestern. Das Ziel heißt Bruneck. Bis dahin gilt es gut 190 Kilometer und ca. 3300 Höhenmeter zu bewältigen.

Die Etappe ist sehr ähnlich der vom letzten Jahr. Da hatte ich doch ziemlich gelitten, so dass ich mir für heute nur „überleben“ vorgenommen habe. Natürlich werde ich versuchen möglichst lange an der Spitzengruppe dranzubleiben, aber das wird hart.

Nach dem Startschuss geht es, wie üblich, erst mal neutralisiert hinter dem Führungsfahrzeug her. Diesmal klappt das etwas besser, d.h. es ist nicht soviel Unruhe im Feld. Hohe Konzentration ist natürlich trotzdem gefordert.

An einer Baustelle sind wir noch recht flott, und ganz unerwartet ist die recht übel geschottert, so ca. 150 Meter. Das Fahrrad wird durchgerüttelt und zu allem Übel springt mir eine Flasche aus dem Flachenhalter. Zum Glück rollt sie zur Seite weg. Verdammt, das geht ja gut los. Jetzt habe ich kein KH-Getränk und muss mit 0,75 L Wasser bis zur Labstation durchkommen. Die schienen mir eh schon knapp gehalten.

Ok, da muss ich jetzt durch. Dann wird das Rennen freigegeben und die Hatz beginnt. Es geht gut vorwärts, aber ich kann gut mithalten. Die Beine schienen erst mal recht gut zu sein, jetzt wo es etwas abgeht bin ich mir nicht mehr ganz so sicher.

Mittlerweile sind die ersten ca. 20 Kilometer absolviert, noch bin ich dran, erste Ausreißversuche vorne sind mir natürlich völlig egal. Da scheint sich vorne doch eine Gruppe wegzumachen, d.h. jemand läßt reißen. Ich folge ein paar weiteren Fahrern die links vorbeifahren um den Anschluss nicht zu verlieren, da werden wir plötzlich von einer silbernen Mercedes Limousine überholt.

Bzw. er versucht zu überholen,  dumm nur, dass Fahrzeuge entgegenkommen, der Typ muss verrückt sein. Auf der Gegenfahrbahn hat sich ein Polo ganz auf die rechte Seite gestellt und angehalten um das Peakbreak Fahrerfeld vorbeizulassen und dieser Verrückte versucht sich nun zwischen Polo und Rennradler zu quetschen, er fahrt haarscharf an mir und anderen vorbei, bremst dann, ich kann gerade noch verhindern auf ihn drauf zu fahren, dann als er merkt, dass das nix wird, gibt er Gas und überlegt wohl kurz ob er in das Fahrerfeld mäht oder den Polo rammt. Und für eine Sekunde scheint sein Gehirn wieder zu funktionieren und er entscheidet sich dagegen hier ein Blutbad anzurichten und rasiert stattdessen die Seite des Polo.

Bumm, Adrenalin auf 100%, das war knapp für uns. Was für ein idiotisches Verhalten. Kurz nach dem Polo folgt auf der Gegenfahrbahn auch noch ein dunkler Geländewagen, spätestens den hätte er sowieso erwischt.

Anyway wir haben großes Glück gehabt, dass es keinen der Peakbreakteilnehmer erwischt hat. Die Spitzengruppe ist jetzt wieder sehr kompakt. Durchatmen, das wird ja heute eine heftige Etappe.

Noch bin ich in der vordersten Gruppe, es scheint als wären zwei oder drei Fahrer vorne rausgefahren und diesmal sogar erfolgreich. Das erscheint mir allerdings recht früh. Die fahren sich doch kaputt?!

Dann wird es doch langsam etwas steiler und die Jungs hauen berghoch immer mächtig rein. Aber ich will dranbleiben um in den immer wieder kommenden flacheren Stücken in der Gruppe zu fahren. Ich muss schon mächtig kämpfen um dranzubleiben, eine Weile klappt es auch, doch dann fahren die vorne Meter für Meter weg. Ich bin fast dran, aber eben nur fast.

Dann sind sie schon so 10, 15 Meter vor mir, und ich merke jetzt wird es eng, das kann ich nicht halten. Aber es haut noch ein paar weitere Fahrer raus, so dass sich hinter dem Spitzenfeld zunächst eine Vierergruppe, dann eine Fünfergruppe bildet. In der Versuche ich zu bleiben.

Ein harter Kampf beginnt. Ich weiß, dass es neben den Steigungen auch immer wieder flachere, teils sogar abschüssige Abschnitte gibt, deshalb muss ich in der Gruppe bleiben, sonst wird das wie gestern.

Andrej, der mir letztes Jahr so freundschaftlich ausgeholfen hat, als ich mein Portemonai verloren hatte, ist auch in der Gruppe. Der macht im Flachen richtig Dampf. Berghoch ist es ein eher leichter Däne der das Tempo vorgibt. Ich habe echt zu kämpfen um dranzubleiben. Vor allem fahren die Jungs besser bergab als ich, so dass ich in engeren Kurven immer mal wieder 5 Meter verliere, die ich mit hohem Krafteinsatz im folgenden Anstieg wieder ausgleichen muss.

Ich kann meine Leistung überhaupt nicht dosieren, sonder muss oft weit über der Schwelle fahren, das könnte sich nachher am Falzarego Pass noch rächen.

Aber noch kann ich dranbleiben. Wir fahren aber gar nicht so recht als Fünfergruppe, sondern es fährt immer mal einer nach vorne und macht Dampf, dabei bin ich schon ziemlich am Anschlag. Auch die fehlende Flasche macht mir etwas Sorge, hoffentlich komme ich mit einer Flasche Wasser bis zur Aidstation.

Es klappt dann tatsächlich, bis zur Labstation bleibe ich in der Gruppe, nachdem ich einmal schon fast hätte abreißen lassen müssen.

An der Verpflegungsstelle nehme ich schnell zwei Flaschen und stopfe mir hektisch zwei Stück Kuchen in den Mund, für mehr ist keine Zeit, ich will die Gruppe nicht verlieren, denn jetzt wird es nochmal flach, bevor der höchste Punkt des ersten Peaks für heute erreicht ist. Das funktioniert auch und wir kommen gut vorwärts.

Dann endlich geht es in eine längere Abfahrt. Allerdings kann ich hier nicht dranbleiben. Die anderen vier fahren einfach besser und damit schneller ab. Ich fahre in den ersten Kurven etwas vorsichtig und verliere jedesmal fünf Meter, und dann kann ich einfach nicht mehr aufholen.

Obwohl die Abfahrt eigentlich sehr schön zu fahren ist, merke ich aber zu spät, die Jungs sind weg.

In der Abfahrt ist das dann nicht so schlimm, ich fahre meinen eigenen Rhythmus, nur ein paar Autos sind mal im Weg, das ist aber kein Problem.

Dann geht es aber auf recht ebener Straße in Richtung Toblacher See. Das ist natürlich unschön. Denn jetzt fahre ich alleine. Zwar gehen die Beine gerade ganz gut, aber hier braucht man natürlich eine Gruppe um was zu reißen.

So fahre ich nicht mit allem was ich habe, sondern dosiere etwas und hoffe, dass mich bald eine Gruppe aufschnupft in der ich dann meine Leistung sinnvoller investieren kann. Es kommt aber erst mal keine.

Ich überlege gerade ob es nicht sinnvoller wäre irgendwo einen Milchcafe zu trinken und auf eine Gruppe zu warten, da zieht dann doch eine recht große Gruppe an mir vorbei. Na endlich, „wurde aber auch Zeit!“ rufe ich dem Führenden noch zu, dann reihe ich mich ein.

Die Gruppe läuft nicht perfekt, aber so bin ich natürlich viel schneller als alleine. Es ergibt sich kein sauberes Ablösen, es deutet sich mal ein Kreisel an, der funktioniert aber gar nicht, so setzen wir unsere Kräfte vielleicht nicht hundertprozentig effektiv ein, aber schließlich passt es so einigermaßen. Nur der erste Teil ist etwas heftig zu fahren, da der Straßenbelag wirklich sehr schlecht ist, gerade rechts. So gibt es immer wieder fiese Längsrisse und Schlaglöcher im Asphalt, sehr nervig.

Dann biegen wir ab in Richtung Cortina. Es geht viel bergauf, nie so richtig steil,  aber das wird schon eine heftige Etappe werden. Denn noch wartet der Falzarego und vor allem der Valparolo, diese kleine Rampe kann ich gar nicht leiden.

Als die Anstiege überwunden sind und wir abfahren in Richtung Cortina stelle ich zu meiner Zufriedenheit fest, dass ich in dieser Gruppe in der Abfahrt ganz locker mithalten kann, manchmal sogar eher etwas später bremsen und schneller fahren würde.

Aber ich will einfach nur sicher in der Gruppe runterkommen. Kurz vor der Aidstation, wo nochmal  ein kurzer aber giftiger Gegenanstieg und eine etwas kleinkurvige Abfahrt zu überwinden sind, werde ich nervös, denn meine Getränke sind alle und ich brauche dringend die Verpflegung.

In der letzten Kurve vor der Aidstation sehen wir dann plötzlich einen gestürzten Radfahrer am Rand liegen. Er wird schon versorgt, sieht aber recht übel aus. (wie sich später herausstellt hat er leider zwei gebrochene Rippen)

Verdammt, das ist immer wieder schockierend und ich hoffe nur ihm ist nichts ernsthaftes passiert.

An der Aidstation nehme ich ein Wasser und ein Apfelsaft, der sich dann aber doch als Wasser herauststellt. Ein halbe Banane, zwei Scheiben Melone und zur Weiterfahrt stopfe ich mir wieder zwei Stück Kuchen in den Mund.

Jetzt geht es als gleich in den Falzarego Pass. Ein seltsames Ding. Unten sehr unrhythmisch, mal normal steil, dann flacht er etwas ab, gleich dann wieder eine sehr kurze aber sehr steile Rampe, gefällt mir nicht so richtig, aber die Kletterleistung stimmt noch einigermaßen.

Ich fahre jetzt wieder alleine, am Berg fährt aber eh jeder sein eigenes Tempo. Der Pass ist gar nicht so richtig lange, ich glaube das erste Schild kündigt die Passhöe in 14, 5 Kilometern an.

Ich mache mir aber etwas Sorgen wegen meiner Getränke. Tom hatte im gestrigen Racebriefing den Vorschlag für eine zusätzliche Wasserverpflegung oben am Falzarego abgelehnt, „geht eh nur noch 40 Kilometer bergab“.

Mag sein, aber auch da muss man Leistung bringen und trinken, außerdem geht es am Schluss nochmal richtig berghoch. Ich bin mir sicher, dass ich mit den zwei 0,75er Flaschen nicht auskommen werde.

Anyway, die Bedingungen sind für alle gleich, also erst mal den Falzarego hochkämpfen. Im oberen Teil ist der angenehmer zu fahren, aber es ist schon recht warm. Der Wasservorrat schwindet und ich kämpfe mich noch ganz ordentlich nach oben.

Die Kilometer vergehen eigentlich ganz flott, aber je höher ich komme, desto mehr lässt meine Kletterleistung nach. Anfangs zwischen 260 und 300 Watt, dann nur noch um 260 Watt, schließlich bin ich froh mit 230 Watt zu klettern.

Wenn die Leistung so absinkt, dann werden die letzten Kilometer lang und länger. Gerne würde ich das Ding mal ganz früh morgens nach einem ordentlichen Frühstück fahren. So als Teil des Peakbreaks verbinde ich damit immer nur die schwere zweite Etappe.

Noch ca. zwei Kilometer bis oben, und ich kann mich nicht auf die Passhöhe freuen, denn es wartet ja noch die Valparolo Rampe. Aber einen Fahrer kann ich noch überholen, sonst hatte ich keine gesehen.

Noch ein Kilometer, am Straßenrand steht eine Holländerin schwenkt eine Fahne und feuert mich an. Nach 200 Metern nochmal eine. Tut irgendwie gut.

Dann endlich oben. Jetzt bloß nicht falsch fahren, denn man kann natürlich auch den Falzarego auf der anderen Seite wieder runter fahren, das wäre aber fatal, denn wir fahren erst den Valparolo hoch und dann in die lange Abfahrt nach Bruneck.

Da ist er also, der Valparolo, ich bin richtig abgebogen. Er ist nicht zu lange, aber doch nervig wenn man schon ordentlich Körner gelassen hat.

Aber diesmal wird es nicht ganz so schlimm. Ich rase nicht da hoch, leide aber auch nicht wie letztes Jahr. Ganz kurz kann ich sogar die Aussicht auf der Passhöhe genießen.

Und dann geht es endlich bergab. Ich bin alleine, weder vor noch hinter mir ist irgendein anderer Fahrer zu sehen.

So kann ich den ersten, steileren Teil ganz in meinem Rhythmus fahren. Klappt auch super. Ein paar Autos muss ich überholen, aber alles kein Problem. Die Abfahrt zieht sich dann etwas auseinander, kaum noch Serpentinen, nur normale Kurven und ich habe sogar richtig Spaß.

Ich schaue nur immer mal besorgt nach unten zum vorderen Flaschenhalter, der hatte sich schon früh heute etwas gelöst und klappert sehr, gerade wenn der Asphalt mal wieder nicht perfekt ist.

Obwohl ich alleine fahre läuft es eigentlich sehr gut, ab und zu mal ein langsames Auto oder Wohnmobil, dass die Abfahrt etwas behindert, aber im großen und ganzen läuft es.

Nur ist mein Wasservorrat jetzt längst zu ende. Sehr schlecht. Ich sauge aus beiden Flaschen nochmal den letzten Rest raus, aber viel bringt das nicht. Gel kann ich jetzt auch nicht mehr gut nehmen, da ich die schon mit Wasser runterspülen muss.

Aber noch merke ich davon nichts. Im oberen Teil der Abfahrt war es erstaunlich kühl, nun wird es aber immer wärmer.

Die Abfahrt scheint ewig zu dauern, gerne hätte ich jetzt den Aeroaufsatz und die Zeitfahrposition, dass wäre entspannend für die Hände und ich könnte natürlich viel schneller fahren, aber ist halt nicht.

Zwischendurch werde ich mal etwas unsicher wegen der Strecke, da ich wirklich keinen anderen Fahrer sehe, nur normale Radler, aber eigentlich ist die ja doch ziemlich eindeutig

Dann kommt nochmal ein Abzweig und es geht diesen steilen Wirtschaftsweg hinauf, eine böse Überraschung letztes Jahr. Wurde auch dieses Jahr im Racebriefing etwas verharmlosend dargestellt, aber es ist nochmal ein richtiger Anstieg, auf recht schlechter Straße mit vielen Querfugen und 200 oder mehr Höhenmetern.

Ich leide jetzt schon unter dem Wassermangel, aber noch wirkt er sich nicht auf die Leistung aus. Durch die lange Abfahrt habe ich mich sogar etwas erholt und klettere anfangs mit 300 und dann mit 260 Watt.

Das Ding zieht sich aber doch, bis es dann endlich geschafft ist und die Abfahrt kommt. Die ist auf Grund der Streckenbeschaffenheit nicht ohne, läuft aber diesmal ohne Ende. Einzig ein Autofahrer vor mir hält mich etwas auf. Ich fuchtele wild hinter ihm herum er möge mich doch vorbeilassen, aber er ignoriert mich. Die Straße ist nur ein Auto breit, so kann ich zwar Überholversuche andeuten, aber er fährt einfach nicht zur Seite, ohne seine Mitarbeit komme ich nicht vorbei.

Ich schreie ihn an, er soll mich vorbeilassen, aber er hört es natürlich nicht. Irgendwann geht ihm mein wildes Gestikulieren aber wohl auf die Nerven und er fährt etwas rechts ran und lässt mich vorbei. Ich bedanke mich höflich und geißele den Rest der Abfahrt hinunter.

Noch sind es einige Kilometer zu fahren, ich müsste noch ein Gel nehmen, lasse es aber wegen dem fehlenden Wasser. Mittlerweile habe ich heftigen Durst. Egal kämpfen weiterfahren. Ich weiß nur der Punkt an dem ich einfach heftigen Leistungsverlust durch den Wassermangel habe ist nicht mehr weit. Hoffentlich schaffe ich es bis ins Ziel.

Nach einem Stoppschild geht es nochmal recht lange berghoch, ich überlege schon ob ich überhaupt auf der richtigen Strecke bin.

Noch ca. 3 bis 4 Kilometer, mittlerweile fange ich an zu fluchen, da ich unbedingt Wasser brauche. Nochmal geht es links, endlich wieder Markierungen, ich bin richtig.

So ein Kilometer vor dem Ziel überholt mich langsam ein Rennfahrzeug, ich brülle nur „ich brauch Wasser!!!“. Ich rechne mir keine Chance aus, dass die mich hören, oder dass die welches dabei haben, aber meine Leistung ist mittlerweile rapide abgesunken und ich muss gleich wenige hundert Meter vorm Ziel stehen bleiben, dann geht nix mehr.

Und siehe da, das Beifahrerfenster geht auf, eine Hand reicht mir eine 1L Trinkflasche, ich rufe einfach nur Danke, Danke, Danke und haue erst mal einen halben Liter des geilsten aller Getränke weg. Man das war knapp.

Ich schleppe mich noch die letzten paar hundert Meter ins Ziel. Stelle ziemlich bewusstlos mein Fahrrad ab. Ein netter Typ steht da mit einem Becher Wasser und einem Becher Cola, die haue ich erst mal beide weg. Dann auch noch Apfelstücke, Melone, Orange, Kuchen, Salzbrezeln, noch zwei Wasser, noch ’ne Cola, ich bin echt ziemlich fertig.

Aber dann geht es wieder. Ich löse gleich meinen Pastaparty Gutschein für einen Grillteller ein und schiebe den auch noch hinterher, dann kann ich wieder einigermaßen klar denken.

Wassermangel kann ich überhaupt nicht ab, deshalb fahre ich normalerweise auch immer mit 1L Flaschen. Aber es ist überstanden. Die Zeit ist dem Rennverlauf entsprechend glaube ich ganz ok. Heute ging es nur ums „überleben“, angreifen werde ich erst morgen beim Zeifahren…

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