steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

Pico Veleta 2 (Guejar Sierra Variante)

Heute steht die erste Variante zur klassischen Route von Granda hinauf zum Pico Veleta auf dem Programm. Und zwar die Strecke über Guejar Sierra, vorbei am Stausee des Rio Genil.

Da für Vormittag der Wetterbericht klaren Himmel vorhergesagt hat, starte ich etwas früher und sitze so kurz nach halb neun auf dem Rad. Ich will zwar die letzten steinigen Meter nicht nochmal fahren, sondern nur bis 150 Meter nach Ende der asphaltierten Straße, aber wenn die Sicht gut ist werde ich schon noch mal bis zum Gipfel hochklettern.

Allerdings muss ich erst mal soweit kommen. Die ausgesuchte Strecke hat nämlich noch etwas mehr Höhenmeter wie die Standardvariante, die ich vorgestern gefahren bin.

Diesmal geht es ohne herumirren. Ich hatte mir vorgestern abend sogar zu Fuß nochmal den Weg vom Hotel bis zur richtigen Straße, nämlich der „Ctra. de Sierra Nevada“, angeschaut, so dass es jetzt überhaupt kein Problem ist dorthin zu finden. Natülich ist jetzt etwas mehr Verkehr als um die Mittagszeit, aber die Autofahrer sind hier sehr fair im Umgang mit den Fahrradfahrern, das bestätigt sich auch heute wieder.

Auf der Ctra. de Sierra Nevada geht es dann stadtauswärts der Sonne und dem Veleta entgegen. Den Start für die Zeitmessung würde ich eigentlich bei Kilometer Null der A-4025 festlegen. Hier startet die klassische, die über Guejar Sierra und, wenn man will kann man auch hier über die Brücke irgendwie auf die 395 gelangen, also noch etwas variieren. Allerdings rechnen die Beschreibungen die ich gefunden haben immer von „Granada“. Da würde der letzte Kreisel Sinn machen bevor die Carretara de Sierra Nevada beginnt.

Letztlich ist das für den Fahrspaß aber egal. Nachdem man Lancha de Genil passiert hat, geht der Verkehr etwas zurück, und dann kommt auch schon bald der Abzweig nach Guejar Sierra. Jetzt zieht die Steigung gleich etwas an, und man fährt auf einer schön gewundenen Straße am Hang entlang ins Tal hinein.

Schnell gewinnt man an Höhe, und rechts kann man recht tief in die Schlucht unterhalb des Stausees schauen. Der ist dann auch bald erreicht und es wird erst mal flacher. Na diese Variante scheint schon anspruchsvoller zu sein, denn bis zu 9% steil ging es bis zum Stausee. Und da soll noch deutlich mehr kommen.

Abgesehen von der Steigung ist die Landschaft aber schon hier spektakulär. Die Schlucht unterhalb des Stausees ist beeindruckend, einmal passe ich nicht so recht auf beim fotografieren, und schaue plötzlich an der Leitplanke hinunter der ich sehr nahe gekommen bin beim Fotografieren, und da geht es 0,5 cm hinter der Leitplanke senkrecht nach unten.

Und auch als der Stausee erreicht ist, bieten sich herrliche Bilder. Ich bin beeindruckt. Nur etwas wärmer könnte es sein, so knapp 15°. Nach einer Baustelle geht es weiter am Stausee entlang. Noch immer gewinnt man Höhenmeter und der Blick zurück über den See ist einfach geil.

Sanft bergab geht es dann nach Guejar Sierra hinein. Ein lebhafter Ort. Angeblich soll diese Variante ja verkehrsärmer sein, aber bis jetzt waren hier schon mehr Autos unterwegs als vorgestern den ganzen Tag. Zum Glück habe ich nochmal einen Blick auf die Wegbeschreibung geworfen, denn in dem Städchen sind die Gassen schmal und steil, und direkt hinter der Kirche muss man rechts eine unscheinbare, selbstverständlich unbeschilderte, schmale Gasse nehmen. Fast hätte ich die verpasst, denn auf dem Platz neben der Kirche herscht lebhaftes Treiben, so dass ich etwas abgelenkt bin.

Ziemlich schnell ist man wieder aus dem Ort draußen, die Straße ist recht schmal, und etliche alte Männer mit ihren Spazierstöcken begegnen mir. Zurück noch ein Blick auf den Stausee, dann kann man in das Tal hineinblicken und die Straße führt jetzt auch hinunter bis zum Talboden durch den ein kleiner Bach fließt.

Die Straße führt am Felshang entlang, durch einen kleinen Tunnel, eine herrliche Strecke, schon jetzt hat es sich gelohnt diese Variante zu fahren. Solche Strecken bekommt man mit dem Rennrad sonst kaum zu Gesicht.

Nach einem weiteren Tunnel geht es rechts über den kleinen Bach hinüber und die Steigung zieht etwas an. Und dann kommt das, was in der Streckenbeschreibung auf quaeldich.de so klang: „ab jetzt geht der Puls hoch, auch bei trainierten Ötztaler Fahrern“.

Die kleine schmale aber ordentlich geteerte Straße zieht sich in recht dicht aufeinanderfolgenden Serpentinen den Gegenhang hoch und zwar mit Steigungen meist zwischen 17% und 18%, gerne auch mal 19%. Und in manch innen gefahrener Kehre werden es bestimmt auch 20%. Der Hammer! Zwischendurch geht die Steigung auch mal zurück, so dass man bei 11% etwas verschaufen kann, oder auch mal ein Foto schießen kann.

Mit dosieren ist hier nichts, das Wattmeter dient nur noch der Dokumentation, nicht mehr der Steuerung. Ich bin dankbar für mein 32er Ritzel und sehe nur zu, dass ich irgendwie hochkomme. Über gut zwei Kilometer Länge geht das so. Nach diesem heftigen Anstieg noch bis zum Pico del Veleta hinauf, das wird heute hart!

Dann geht die Steigung endlich dauerhaft wieder in den normalen Bereich, was erst mal so 10% bis 11% bedeutet. Dann eher wieder um 9%. Dabei tun sich jetzt wirklich herrliche Ausblicke auf. Ich weiß gar nicht, ob ich gucken oder fotografieren soll oder beides. Diese Strecke ist echt der Wahnsinn in jeder Hinsicht. Die muss man einfach fahren wenn man ein Blog mit Namen steilberghoch.com betreibt…

Als die Strecke dann wieder auf die 395 trifft und ich erstmal bei Steigungen um 6% entspannen kann weiß ich nicht ob ich es schade finde, dass dieser schöne Abschnitt schon zu Ende ist, oder ob ich froh bin, dass Beine und Rücken die Chance zur Erholung haben.

Ob ich es jetzt bis oben hin schaffe? Das hat schon enorm Körner gekostet. Andererseits, kann ich auf der jetzt folgenden Strecke erst mal gut dosieren und versuchen die Beine wieder locker zu kriegen. So kurbel ich vor mich hin, diesmal nicht abgelenkt von Navigationsproblemen. Im Gegenteil, wenn man es weiß kann man schon hier unten den Pico Veleta, das Radioteleskop und auch das alte Observatorium sehen. Alles völlig offensichtlich und klar.

Ich mache nicht mehr ganz so viele Bilder, vorgestern waren es 238 Stück. Aber ein paar Motiven kann nicht widerstehen. Leider ziehen Wolken auf, und so wie ich das einschätze wird es heute wieder nichts mit der Panoramaaussicht vom Gipfel.

Auf der 395 lässt es sich gut fahren, auch wenn heute etwas mehr Verkehr ist, wie letztes mal, und so ist bald Prado Llano erreicht. Ich beschließe wieder durch den Ort zu fahren, und nicht die flache „Abkürzung“ weiter über die 395. Diesmal ist natürlich auch hier die Navigation kein Problem mehr. So schraube ich mich Kehre um Kehre zwischen den Häuserschluchten nach oben, bis der riesige Parkplatz für das Skigebiet oberhalb des Ortes erreicht ist. Ich habe jetzt auch das Schild verstanden, auf dem Pico Veleta steht, und dass in den Ort zeigt. Das bezieht sich nämlich auf die Seilbahn die zum Gipfel führt und von hier startet.

Wieder bietet sich, für den der es weiß, der Blick auf das Ziel, den Pico Veleta. Die Wolken nehmen wie befürchtet zu, und die Temperatur, die schon die ganze Zeit nicht über 15° gestiegen ist (schon kurz hinter Guejar Sierra habe ich gefroren, was aber durch die 19% Steigung zeitweise eliminiert wurde) nimmt ab auf ca. 11° C.

Noch ist es ein ganzes Stück zu fahren, und jetzt kommt bald der Abschnitt mit dem schlechten Asphalt. Aber auch das dauert noch etwas länger wie ich gehofft hatte. Aber dann passiere ich die Schranke, an der eigentlich das Ende der Strecke für motorisierte Fahrzeuge markiert ist. Aber im Gegensatz zum ersten Aufstieg kommt heute kein Gefühl der Einsamkeit auf. Es kommen mir sogar Autos entgegen.

Kurz vor dem Observatorium sehe ich den ersten Radfahrer für heute (es bleibt der einzige). Ein schlanker, sehr großer Spanier auf seinem Trekkingbike, der sehr konstant mit recht hoher Trittfrequenz aber deutlicher Untersetzung dahin kurbelt. So fahre ich natürlich recht flott vorbei. Wir grüßen uns kurz, und weg ist er. Ich trete wenn es geht so Richtung 250 Watt, im ersten Abschnitt auf der 395 musste ich mich erst mal zwischen 200 und 230 erholen, dann habe ich versucht etwas zu steigern, ich will ja auch nicht hier hoch kriechen. Die drei Stundenmarke auf dieser Variante zu knacken ist mir sicher nicht möglich, aber vier Stunden will ich auch nicht fahren.

Die Wolken ziehen jetzt immer mehr zu, die Temperatur liegt deutlich unter 10° und ich fahre trotz der langen Steigung mit geschlossenem Trikot. Viel hilft es nicht. Wie gesagt einsam ist es heute nicht, neben einem Auto ab und zu, und sogar einem Bus, sind sehr viele Wanderer unterwegs.

Dann geht es in den Abschnitt mit dem Geröll. Die Steine scheinen heute nicht mehr so dunkel wie gestern, obwohl es jetzt komplett bewölkt ist. Sie sind sogar etwas rötlich (lag ich doch nicht so schlecht mit meiner Mars Analogie), es wirkt alles nicht so feindselig wie beim ersten Aufstieg.

Durch die Wolken, die sich komplett über den Gipfel gelegt haben sieht man nur die Straße und etwas den Hang, die atemberaubenden Ausblicke bleiben verwehrt. Ist mir egal, ich muss eh sehen, dass ich ordentlich hier hoch komme, denn heute ist es deutlich anstrengender. Der schwierige erste Abschnitt macht sich natürlich bemerkbar, und ich bin auch nicht mehr durch ständige „bin ich hier richtig“ Gedanken abgelenkt.

Ich kenne die Strecke, weiß genau was kommt, und selbst mit dem schlechten Belag und den Schlaglöchern komme ich besser zurecht, ich nehme einfach alles so wie es ist und gut. Immer wieder kommt noch eine Kehre, die Strecke zieht sich sehr. Ich überlege ob ich noch ein Gel nehme, oder mir das für morgen aufspare. Nachdem die Strecke aber kein Ende zu nehmen scheint, nehme ich es schließlich doch. Sicher ist sicher. Wie honig läuft das Gel süß hinunter, das hat auch einen psychologischen, aufbauenden Effekt. Einen aufbauenden Effekt hat auch der Applaus den mir drei Frauen in Wanderklamotten in einer Kehre spenden.

Es kommt mir nicht mehr so einfach vor wie beim ersten mal, da hatte ich ja immer noch das Schlimmste erwartet, einen richtig steilen Schlussabschnitt. Aber letztlich kann ich mich jetzt wieder so um 230 bis 250 Watt halten und erreiche so schließlich den Abschnitt wo man direkt auf den Gipfel zufährt (sehen kann man ihn allerdings wegen der Wolken nicht), jetzt sind es nur noch wenige Kehren bis der Asphalt endet.

Auch hier oben sind einige Wanderer unterwegs, die mögen bis zum Gipfel steigen, ich fahre bis zum Ende des Asphalts und dann noch die 150 Meter einigermaßen fahrbare Strecke bis zu den Wackern. Dort mache ich mein „Gipfelfoto“. Zum zweiten mal oben angekommen, auch auf der schwierigeren Strecke über Guejar Sierra. Ich bin zufrieden. Das alles in Wolken gehüllt ist ist halt so, ein Aufstieg bis auf den Gipfel lohnt so nicht. So ziehe ich meine Windjacke an und fahre wieder ab. Es ist eh saukalt, 4° sind es hier oben noch.

Die Abfahrt ist übel wie vorgestern auch. Mir ist kalt. Warum ich wieder auf die Knielinge und die Handschuhe verzichtet habe weiß ich nicht genau, das beult halt so aus im Trikot. Die Schläge bei der Abfahrt nerven sehr. Die Hände mögen es nicht, der Po mag es nicht die Füße mögen es überhaupt nicht. Ich weiß gar nicht wo ich mein Gewicht hin verlagern soll, immer ist es unangenehm. Ich fahre schneller, damit es schneller vorbei ist, dadurch werden aber auch die Schläge heftiger. Eindeutig eine loose-loose Situation. Die Abfahrt zieht sich auch elende lange, und die Temperatur scheint nicht zuzunehmen. 5° C wird’s mehr aber irgendwie nicht. Es wird etwas windig und der Fahrtwind beim Abfahren kühlt natürlich auch, so dass die Finger steif werden und weh tun.

Dann endlich, nach ungefähr 11 Kilometern Prügel durch die Straße komme ich ordentlich durchgefroren auf den schönen glatten Asphalt der 395. An dem gleichen Kiosk wie gestern kaufe ich mir einen Cafe con leche, aber mehr um die Hände aufzuwärmen. Zum Hinsetzen ist es zu kalt, und von der ruppigen Straße und der Kälte tun mir die Knie ordentlich weh. So laufe ich ein bisschen hin und her, setze mich dann aber gleich wieder auf’s Fahrrad und hoffe, dass ich bald in wärmere Gefilde hinunter komme.

Jetzt ist wenigstens die Strecke gut zu fahren. D.h. eigentlich ist sie sensationell gut zu fahren. Auch wenn man nicht so einfach sehr hohe Geschwindigkeiten erreicht, so machen der gute Belag und die sanften Kurven das ganze zum Genuss. Die spektakuläre Aussicht dazu bleibt mir erst mal wegen der Wolken verwehrt, und kalt ist mir immer noch, aber die Temperatur geht so langsam in Richtung zweistelligen Bereich.

Schließlich brechen die Wolken etwas auf, und die Sonne lugt etwas hervor. Beim Restaurant Mirador, wo man eine schöne Aussicht hat versuche ich mich in die Sonne zu setzen und etwas aufzuwärmen, aber schnell flüchte ich nach drinnen, den weitere Wolken und kalter Wind verhindern das. Das Essen geht so, doch die weitere Abfahrt ist dafür umso besser.

Als ich endlich die 1500 Meter Marke passiere, wird es auch wieder angenehm warm, die Sonne hat sich gegen die Wolken durchgesetzt und vor allem kommt jetzt eine schöne Aussicht nach der anderen. Ich bin hin und her gerissen zwischen der geilen Abfahrt und den atemberaubenden Ausblicken.

Ein paar mal halte ich an um zu fotografieren, dann biege ich von der 395 auf die alte Straße ab.

Jetzt ist es richtig warm, die Temperatur steigt auf 28° C und bald erreiche ich Granada, vobei an der langen Schlange mit Bussen der Alhambra Besucher.

Auch heute wieder ein beeindruckender Tag. Die Strecke über Guejar Sierra ist echt der Hammer. Bleibt mir für morgen noch die dritte Variante über Monachil, auch die muss ähnlich anspruchsvoll sein. Vielleicht habe ich ja dann mal Glück und es ist wolkenlos, so dass ich die Aussicht vom Gipfel genießen kann – falls ich ihn erreiche.

Die vierte potentielle Variante, die über Capileira führt ist, wie ich mittlerweile weiß, definitv nicht rennradgeeignet. Selbst die Mountainbiker haben dort Schiebepassagen, die ganze Strecke ist nur geschottert. So dass ich übermorgen dann wohl frei habe…

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