steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

Pico Veleta 3 (Variante Monachil)

Der Wetterbericht für heute hat wolkenlosen Himmel angekündigt. Als ich morgens aus dem Fenster schaue scheint sich das zu bewahrheiten. Hoffentlich ist es auch am Pico Veleto noch wolkenlos wenn ich dann endlich oben bin. Die Aussicht vom Gipfel würde ich schon gerne sehen.

Als Fahrstrecke habe ich mir diesmal die dritte Möglichkeit ausgesucht, nämlich über Monachil und den Collado del Muero. Hier soll es heftige Steigungen bis 18% geben. Ich hoffe, dass ich die so gut verkrafte wie gestern die 19% über Guejar Sierra. Denn es wäre schade, wenn der Pico Veleta wolkenlos bliebe, ich aber nicht bis oben hin komme.

So fahre ich der Sonne entgegen auf einer Strecke, die ich schon aus Versehen bei der ersten Erkundungsfahrt über die Standardvariante kennengelernt hatte.

Ich finde auch die Ampel, die als Startpunkt in der Beschreibung stand. Zunächst geht es durch Barro del la Vega. Die Steigung zieht zunächst auf ca. 4% an, dann geht es aber gleich in 7 bis knapp 9% über.

Am Ortsausgang flacht die Straße aber schon wieder ab, und man fährt dann sogar etwas bergab nach Monachil rein. Hier muss ich mich entscheiden ob rechts oder links des kleinen Flusses, Schilder gibt es natürlich keine, und so fahre ich rechts, was aber letztlich dann doch egal ist, denn am Ortsende von Monachil führt eine kleine Brücke die beiden Straßen sowieso zusammen.

Das ich hier wohl richtig bin zeigt auch das Schild, dass auf die Radfahrer hinweist, ich werde heute wohl nicht der einzige sein. Und dann zieht die Straße richtig an. Gleich geht es mal mit 13% berghoch, flacht dann auf 11, 12% ab, und geht dann erst mal nicht mehr aus dem zweistelligen Bereich heraus.

Ein Schild weist nochmal daraufhin, dass es hier steil ist, dass hätte man mir wirklich nicht sagen müssen, die Beine spüren es auch so. Die Strecke ist aber wirklich herrlich, wieder eine lohnenswerte Variante für den Aufstieg.

Und dann klappt die Straße einfach mal so unvermittelt nach oben. Das sind also die 200 Meter mit 18%? Naja, es sind wohl nur 100 oder 150, aber schon heftig. Vor allem bleibt die Straße auch danach sehr steil. Gerne 14% kaum unter 12. Krass, das ist ja schon Gletscherstraßen Niveau. Nur das hier die Umgebung natürlich völlig anders ist. Und die Umgebung ist nicht nur anders, sondern auch absolut herrlich. Ein Traum hier zu fahren, trotz der Anstrengung.

Ich hoffe nur, dass ich dafür im oberen Teil nicht zu sehr bezahlen muss. Egal ob der Blick zurück oder nach vorne, immer wieder herrlich Landschaft, atemberaubende Ausblicke. was für eine schöne Strecke.

Immer wenn die Steigung mal etwas zurückzugehen scheint, steigt sie doch sofort wieder an. Aber steilberghoch heißt das Blog, diese Strecke passt perfekt dazu. Dann fährt man über einen kleinen Sattel, und man kann erstmals auch nach rechts auf die mir jetzt schon gut bekannte Strecke schauen. Die Straße bleibt steil, die Aussichten fantastisch.

Dann scheint es, ich bin oben angelangt, das hier muss der Collado del Muerto sein. Ab jetzt soll eine kleine Abfahrt kommen, die dann auf die 395 trifft.
Schnell noch ein Foto von der spektakulären Aussicht, bevor es in die Abfahrt geht, da sehe ich einen Stier am Straßenrand stehen. Huch! Und da direkt an der Straße noch einer! Die Schilder über die ich mich so gewundert hatte, bedeuten tatsächlich das, was man sich als erstes vostellt, nämlich vorsicht freilaufende Stiere. Ja ja, ich weiß, das hier ist Andalusien, aber das die Tiere, die ja angeblich so gefährlich sind und in der Stierkampfarene die Torreros zerreißen, hier so friedlich am Straßenrand grasen, damit hatte ich nicht gerechnet.

Die Strecke ist absolut super, geht dann aber überraschenderweise wieder berghoch. Und zwar ganz ordentlich. Und nicht nur ordentlich, sondern brutal. Jetzt kommen erst die 200 Meter mit der 18% Steigung. Oje, geht ganz schön rein. Ich fühle mich zwar noch gut, aber ich habe natürlich immer noch den langen, langen Rest der Strecke im Kopf.

Nochmal gibt es einen kleinen Anstieg, das ist also erst der Collado del Muerto, dann geht es aber endgültig in die Abfahrt. Durch ein kleines Waldgebiet. Wie auch bisher ist der Straßenbelag perfekt, allerdings gibt es zwischendrin riesige tiefe Löcher. Da muss man echt aufpassen.

Und schnell erreiche ich die Einbiegung zur 395. Noch ganz schön weit unten. Wenn man, wie ich gestern, über Guejar Sierra fährt, kommt man deutlich weiter oben raus. Dabei schien mir die Strecke heute noch anstrengender zu sein. Dieses Gletscherstraßenfeeling mit den langen Passagen über 13, 14, 15% und dann diese zwei 18% Hämmer, das haut schon ganz schön rein. Obwohl ich keinerlei Hunger oder Apetit verspüre, zwinge ich mich einen Riegel zu essen. Noch liegen so gut 30 Kilometer Anstieg vor mir.

Es geht dann aber zunächst erstaunlich gut. Ich scheine heute eine ganz gute Form zu haben, trotz des gestrigen Tages. So bis 3000 Höhenmeter pro Tag scheint der Körper mittlerweile gut wegzustecken. Und der Kopf ist durch die fantastische Landschaft, und die seltene Chance hier zu fahren sowieso motiviert.

Dann sehe ich endlich mal einen Rennradfahrer vor mir, aber ich hole ihn schnell ein, und er hat offensichtlich keine Lust auf Kommunikation. Na dann eben nicht.

Die Strecke ist lang, das weiß ich ja schon, aber man erlebt es immer wieder neu. Ich mache recht wenig Fotos, auch wenn das Wetter bis jezt fantastisch ist. Hoffentlich bleibt es so, bis ich oben bin. Um die Mittagszeit ziehen ja gerne mal Wolken hinauf zum Pico Veleta.

Der Abzweig nach Guejar Sierra ist dann bald erreicht, und ich versuche so an die 250 Wattt zu kurbeln. Ich weiß was mich erwartet und brauche mich nicht zurückzuhalten. Fahre aber auch nicht am Limit, denn ich will einfach nur genießen und möglichst vor den Wolken am Gipfel sein.

Bei 1750 Meter Höhe überhole ich den nächsten Radfahrer, ich versuche erst gar nicht ins Gespräch zu kommen. Egal, die Landschaft ist geil, das tolle Wetter lässt mich doch immer wieder zur Kamera greifen, und so habe ich die eine oder andere Stelle jetzt bestimmt dreimal in meiner Sammlung. Aber die kann man sich immer wieder angucken. Und der Pico Veleta, wolkenlos bei strahlendem Sonnenschein als Ziel vor Augen, ein perfektes Motiv.

Dann erreiche ich die 2000er Marke, doch das nächste Teilziel, nämlich der Abzweig zum Skidorf zieht sich länger wie gedacht. Aber dann ist er schließlich erreicht, und ich biege nicht ins Dorf ab, sondern fahre diesmal die 395 weiter.

Auch dieser Streckenteil hat einiges zu bieten. Er ist eher flach, geht sogar an einer Stelle unter 3% hinunter,  und führt vor allen Dingen erst mal in die andere Richtung, also wieder zurück auf Granada zu. Dadurch hat man nochmal eine etwas andere Perspektive auf die wohlbekannten, atemberaubenden Ausblicke.

Dann, nach einer weiten Kehre geht es aber wieder in Richtung Pico Veleta.

Die 2250 Metermarke ist passiert, und noch liegt keine Wolke über dem Gipfel. Es ist noch ein elend langes Stück zu fahren, aber heute habe ich eine echte Chance schneller zu sein als die Wolken. Hunderprozentig glaube ich aber noch nicht daran.

Auch wenn ich jetzt schon das dritte mal hier hoch fahre, ich finde die Strecke immer noch spektakulär.

In einer Kehre ist ein Bus stehen geblieben. Der hat wohl Schwierigkeiten mit der Höhe, was ich von mir nicht behaupten kann, bis jetzt läuft es noch erstaunlich gut. Wenn die Leistung etwas abfällt versuche ich über die Trittfrequenz wieder auf 230 Watt oder darüber zu kommen, oder schalte hoch und fahre ein Stück im Wiegetritt. Noch geht es gut.

Und wieder zwinge ich mich einen Riegel zu essen, diesmal schaffe ich aber nur dreiviertel. Na besser wie nix. Das leckere Gel hebe ich mir für die letzten Kilometer auf.

Ich passiere die 2500 Höhenmeter Marke, und bin gleich an der Schranke. Die ist heute erstaunlicherweise geschlossen, so dass ich drunterdurch klettern muss. Und dann fängt die Ruppelpiste an.

Ab hier sind es noch elf Kilometer. Einsamkeit kommt auch heute keine auf. Es ist Samstag und der Parkplatz mit den Imbissbuden ist besser gefüllt wie bei meinen bisherigen Fahrten. Mountainbiker fahren offenbar gerne am Wochenende bis hierher um dann zum Pico Veleta oder die Schotterstrecke zum Mulhacen zu fahren. Und natürlich Wanderer, die das tolle Wetter genießen wollen. Von den vielen Testfahrern, die hier Erkönige testen, oder Systeme an aktuellen Modellen sind heute nur die Porsche Leute da, die anderen haben am Wochenende wohl frei.

Ich weiß, dass es jetzt noch ein ganzes Stück zu fahren ist, aber nach dem ersten sehr schlechten Straßenabschnitt, wird der Belag ja etwas besser, und da versuche ich noch ordentlich Druck zu machen. Naja, ich versuche halt gut 250 Watt zu fahren, zuviel will ich auch nicht riskieren. Ankommen auf dieser Variante ist mir wichtig, und schneller sein als die Wolken natürlich. Noch sieht es gut aus.

Die Strecke ist immer wieder erstaunlich lange, Kehre um Kehre, atemberaubende Aussicht um atemberaubende Aussicht. Dann vorbei am Abzweig zur Radioantenne.

Und wieder Kehre auf Kehre. Jetzt werden die Ausblicke allerdings wirklich spektakulär. Zwar ist es am Horizont sehr diesig, und eine kleine Wolke macht sich auf den Weg nach oben, aber Ausblicke in einer solchen Höhe gibt es für Rennradler nur wenige.

Die 2750 Metermarke fällt, die Strecke zieht sich. Bald kommt der geröllige Teil, der Gipfel scheint noch ganz schön weit zu sein. Aber umgeben von blauem Himmel, diesmal klappt es glaub ich. Aber es sind noch einige Kilometer und Höhenmeter zu bewältigen.

Ich überhole immer wieder mal ein paar Mountainbiker oder fahre an Wanderern vorbei, so gibt es etwas Abwechslung.

Der jetzige Abschnitt mit den Kurven in den Himmel und den dunklen Steinen gefällt mir wirklich gut, aber erstaunlich wie weit der Gipfel noch weg ist. Zwischendurch muss ich mich immer mal wieder ein bisschen fordern, um die Leistung zu halten, aber eigentlich klappt das noch ganz gut.

Wieder ein paar Mountainbiker vor mir, sie zeichnen sich im Anstieg gegen den Himmel ab, klasse Fotomotiv.

Nochmal ein Blick auf den Gipfel in der Mondlandschaft, noch so ein Motiv, das mir gut gefällt.

Und immer hat man das atemberaubende Panorama um sich, das ist schon unfassbar gut hier.

Die Strecke zieht sich zwar noch, aber jetzt bekomme ich Bilder zu Gesicht, die mir bis jetzt wegen der Wolken immer verwehrt geblieben sind. So dass diese neuen Ausblicke etwas ablenken von der Kurbelarbeit und der schlechten Straße.

Auch den Abzweig zum Mulhacen, der ja noch ein paar Meter höher ist wie der Veleta sehe ich erstmals. Der ist allerdings nur für Mountainbiker fahrbar.

Dann fahre ich ein letztes mal Gerade auf den Gipfel zu, ich war wohl schneller als die Wolken, die jetzt tatsächlich schon aufgezogen sind und sich noch in niedriger Höhe bewegen.

Und dann ist er erreicht. Zum dritten mal diese Woche, der höchste auf asphaltierter Straße erreichbare Punkt Europas.

Ich fahre noch die 150 Meter unbefestigte Strecke bis zu den Steinen. Mach mein Foto und stelle mein Fahrrad dort ab. Dann mache ich mich zu Fuß auf den Weg zum Gipfel.

Der Weg zieht sich noch etwas. Aber auch wenn ich mit dem Fahrrad schneller wäre, Mountainbike ja, Rennrad nein. Einmal reicht da wirklich. Allerdings komme ich mit meinen Fahrradschuhen mit den Cleats auch nicht gerade gut voran.

Aber die Mühe wird belohnt mit fantastischem Ausblick. Der Gipfel ist ordentlich bevölkert, aber mir egal. Bekomme ich doch noch diese spektakuläre Aussicht zu Gesicht. Im dritten Versuch. Selbst die Temperatur ist ok. Es sind heute tatsächlich 10° hier oben, und außerdem habe ich Beinlinge und „dicke“ Jacke dabei, und die vor meiner Gipfelbesteigung schon angezogen.

Es gibt ordentliche Gipfelfotos, ich plaudere ein bisschen mit einem österreichischen Mountainbiker, aber vor allem genieße ich die Aussicht. Einfach nur geil. Auch wenn sich jetzt doch tatsächlich Wolken von der Granada Seite langsam den Berg hocharbeiten.

Beim Abstieg mache ich noch ein paar Fotos und kraxle dann mit meinem unpassenden Schuhwerk wieder nach unten. Ich hoffe, dass mein Fahrrad noch da ist, sonst würde der Weg nach unten wirklich seeehhr lange…

Aber es steht natürlich noch da, wer sollte denn hier ein Rennrad klauen?

Und dann geht es wieder die ruppige Rüttelstrecke hinunter bis zur Schranke. Ich versuche meine Ortskenntnis für den besten und sanftesten Weg zu nutzen, aber das bringt nicht so richtig viel. Ich halte immer mal an für ein Foto und zum Verschnaufen von den Schlägen, und dann ist endlich die Schranke erreicht. Puh, was für eine Tortur das jedesmal ist. Umso besser ist natürlich die jetzt folgende Abfahrt auf dem top Belag, mit den sanften Kurven.

Aber erst gibt es nochmal Milchcafe und Tortilla bei meinem Stammkiosk an der 2500 Metermarke.

Als ich mich dann in die Abfahrt stürze, muss ich vor Wonne jauchzen, so hat man das wohl früher genannt, heute würde ich sagen meine Freude herausschreien. Das ist einfach so geil. Der Traumasphalt, die Streckenführung, die Aussicht, die Landschaft, das gute Gefühl den Gipfel erreicht zu haben, alles so perfekt. Und mein Fahrrad fährt traumhaft.

So schwebe ich die Abfahrt hinunter und beschließe dann von der 395 wieder nach Monachil abzubiegen, so wie ich heute morgen bergauf gefahren bin. Die Strecke war zu schön, und der Gegenanstieg schien nicht zu heftig zu sein, so dass ich hier noch ein bisschen Spaß haben kann. Und außerdem kann man an den steilen Stücken bestimmt ordentlich Speed erreichen, denn der Straßenbelag war auch hier klasse.

So entledige ich mich noch meiner Abfahrtsklamotten, verstaue die doch sehr auftragende Jacke wieder im Trikot und mache mich dann in den Aufstieg durch den Nadelwald. Der Anstieg liegt so bei knapp 9% Steigung, und ich habe noch ordentlich Überschuss an Leistung, so dass ich schon gut in den 300 Watt fahre, das Ende der Steigung ist ja auch absehbar. Ich gebe allerdings auch nicht alles, denn ich habe beschlossen, wenn ich mich morgen fit fühle nochmal die Standardvariante zu fahren, diesmal ohne verfahren und schonen, sondern mit dem Ziel die Dreistundenmarke zu knacken. Könnte verdammt schwer werden, aber versuchen will ich es schon mal.

Die Aussicht nachdem man aus dem Wald herauskommt ist klasse, und nach Überquerung eines kleinen Sattels geht es in das Tal, durch das ich heute morgen aufgestiegen bin. Es ist so schön hier, dass ich eine kleine Pause mache und mir das eine Weile anschaue.

Dann aber geht es erst mal bergab und in einen Gegenanstieg. Oben angekommen muss ich nochmal einen Fotostopp machen, bevor es dann in das steilere Stück der Abfahrt geht. Ich fahre an zwei Wanderern vorbei, wir grüßen uns freundlich, dann geht es steil bergab.

Hier kommt gleich das 18% Stück. Das Fahrrad fällt wie ein Stein, die Beschleunigung ist enorm, die Geschwindigeitsanzeige schießt hoch. Aber dann kommt gleich eine Kurve, und ich merke auf einmal wie eng die ist. Scheiße, ich bremse was geht vor der Kurve, aber meine Bremsen reißen nicht viel, das fühlt sich nicht gut an. Ich bin irgendwie noch die Scheibenbremsen vom Crosser gewöhnt, mit dem ich viel Grundlage gefahren bin.

Das hier wird jetzt jedenfalls knapp, zu allem Überfluss liegt auch noch Staub, Dreck und Split auf der Straße. Jetzt wirds dumm. Ich rase auf die Felswand zu. Mit Macht in die Kurve legen und dann wegrutschen und mit dem Fahrrad zwischen den Beinen gegen die Felswand prallen scheint mir keine Option.

So bremse ich mit Gewalt, und hoffe dass das verdammte Ding stehen bleibt. STEHEN BLEIBT!! Keine Chance, das blockierte Hinterrad kann ich zwar noch kontrollieren, aber mit blockiertem Vorderad komme ich mit einer Affengeschwindigkeit auf die Felswand zu. Scheiße, ist das letze was ich noch denken kann, dann bleibt das schlingernde Fahrrad mit dem Vorderrad irgendwo hängen und ich steige kopfüber ab und überschlage mich. Das Fahrrad prallt gegen die Felswand – Stille.

Ich liege da auf dem Rücken am Straßenrand, zehn Zentimeter von der Felswand. Erst mal den Kopf bewegen, geht. Arme, geht. Beine, geht. Ich versuche aufzustehen, Aua geht nicht.

Ich versuche irgendwie aufzustehen. Schmerz! Nochmal, dann kann ich mich immerhin aufsetzen. Scheiße, wie ist das denn passiert. Habe ich mich so dermaßen verschätzt? Ich blicke mich suchend um nach meinem Fahrrad. Das liegt ein paar Meter weiter auf der Straße. Allerdings liegt das Hinterrad ein paar Meter daneben. Das Schaltwerk ist komplett abgerissen. Verdammt.

Ich wurstele so lange rum bis ich es schaffe aufzustehen, ich muss das Fahrrad fotografieren. Ich versuche die Kamera aus dem Trikot zu ziehen, die steckt aber irgendwie fest. Jetzt weiß ich auch wo der verdammte Schmerz herkommt. Die Kamera hat sich in meinen Körper bohren wollen, der hat sich gewehrt und irgendwie steckt das Trikot in der Kamera drin. Ich ziehe es mit Gewalt heraus und fotografiere mein komplett zerstörtes Fahrrad.

Mein nächster Gedanke ist, Crashreplacement für den Rahmen, ja aber ich hatte das Teil so genau auf meine Bedürfnisse eingestellt, das kostet mich Wochen.

Dann muss ich mich wieder hinlegen, plötzlich tut doch das ein oder andere weh. An meinem Arm tropft Blut herunter. Scheiße!

Da kommt ein Vater mit seinen zwei Kindern den Berg heruntergelaufen, die wollen mir zur Hilfe eilen. Wieder stehe ich irgendwie auf, es tut weh wie sau.

Ambulancia? No, no, ich will das Fahrrad wieder zusammenbauen und versuchen damit nach Granada zurückzukommen. Aber das Rad ist Schrott, keine Chance.

Ambulancia? No, no I’m fine!

Irgendwie verständigen wir uns, dass er mit meinem Handy das Hotel anruft, damit die ein Taxi schicken, das mich und das Fahrrad zurückbringt. Aber die geben dem hilfsbereiten Mann nur die Nummer eines Taxiunternehmens, dass aber nicht kommen will. Dabei sind wir vielleicht 15 Kilometer von Granada entfernt, komisch.

Dann ruft er doch die Ambulancia an. Ich wehre mich nicht mich mehr, mein Arm blutet, und irgendwo hinten blutet es auch, außerdem habe ich schon alle möglichen Schmerzen, zum Arzt muss ich sowieso.

Mittlerweile ist noch ein Wandererpärchen dazugekommen, die besorgt dreinblicken und zum Glück etwas Englisch können, so dass ich mich etwas mitteilen kann. Ich muss ein übles Bild abgeben.

Ich bin dabei extrem froh. Ich kann alles bewegen, gebrochen ist nichts, mein Gesicht ist unversehrt, und ich fühle mich „den Umständen entsprechend gut“. Dann muss ich mich aber wieder hinlegen, nicht weil mir schwindelig wird oder so, sondern das Stehen sticht im unteren Rücken.

Die Ambulancia will kommen, aber mein Fahrrad auf keinen Fall mitnehmen. Mittlerweile hat noch ein Mopedfahrer angehalten und es wird diskutiert wie mein Fahrrad, bzw. das Wrack zurück ins Hotel kommt.

Ich würde ja am liebsten ein Auto anhalten und mich mitsamt Fahrrad ins Hotel bringen lassen um von dort zum Arzt zu gehen. Da kommt ein Auto aus der Granadarichtung und hält an. Ein junges Ehepaar mit einem kleinen Hund.

Sofort versuchen der Mopedfahrer und der Mann mit den Kindern diese zu überreden mein Fahrad ins Hotel zu fahren, die sind auch sofort bereit. Ich versuche dem Wandererpärchen zu sagen, dass ich mit dem Auto mit ins Hotel fahre, die Ambulancia abbestellt werden soll, und ich dann zum Arzt gehen will.

Erstaunlicherweise klappt das auch irgendwie. Das Fahrrad passt nicht so recht in den Kleinwagen. Aber nachdem die Rücksitze mit Zeitungspapier ausgelegt sind, damit ich nicht alles vollblute, kommt das Fahrrad auf meinen Schoß.

Ich bedanke mich bei den Helfern, die Leute waren wirklich nett, und offenbar mehr geschockt als ich. Eigentlich bin ich überhaupt nicht geschockt. Ich bin heilfroh, das ich diesen Sturz so überstanden habe. Da standen wirklich alle Möglichkeiten offen.

Die Fahrt nach Granada geht über die gleiche Strecke, die ich auch mit dem Rad gefahren wäre. Die ist wirklich traumhaft schön, ich ärgere mich, dass ich das jetzt verpasse. Und nicht nur dass, auch die Jagd auf die Dreistundenmarke morgen fällt wohl aus. Ich überlege ob ich mir wohl ein Fahrrad leihen könnte, und es damit versuchen könnte.

Außerdem war der Pico Veleta ja nicht der geplante Saisonabschluss, sondern ich wollte weiter nach Almeria und von dort aus den Cala Alto und den Velefique fahren. Das sind die zwei Bergfahrten in Andalusien, die man schon noch machen muss. Unfinished Business. Jetzt muss ich wohl doch noch mal hierherkommen zum Radfahren.

So Gedanken gehen mir durch den Kopf, aber eigentlich geht es mir auch Scheiße, an Radfahren ist jetzt erst mal nicht zu denken. Außerdem habe ich auch kein Fahrrad mehr, das ist komplett hinüber.

Die zwei die mich zum Hotel bringen sind wirklich super nett. Ich muss wirklich schlimm aussehen, denn ständig gucken die besorgt nach hinten, ob ich noch lebe. Dann haben wir endlich das Hotel erreicht. Ich will die beiden natürlich für ihre Mühe entschädigen, aber keine Chance, sie wollen mich sogar noch ins Hospital fahren. Aber ich sage, dass ich ein Taxi nehme, bedanke mich überschwänglich und versuche die Überreste vom Rad und mich ins Hotel zu schleppen, was aber zunächst misslingt.

Langsam tut’s richtig weh. Mein Rad und alles was sonst noch so weggeflogen war landet im Luggageroom, ich schleppe mich ins Hotelzimmer und versuche die Schuhe zu wechseln, was lange dauert aber schließlich gelingt. Dann geht es mit dem Taxi ins Hospital.

Es ist ein öffentliches Hospital, d.h. eine lange bürokratische Anmeldung und dutzende Leute die in der Ambulanz auf Hilfe warten. Ich kann nicht gut stehen, sofort bringen die mir einen Rollstuhl, ich lehne dankend ab.

Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit in der Schlange am Schalter bin, und nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit die Formalitäten erledigt sind, versucht man mich wieder auf einen Rollstuhl zu verfrachten. Ich laufe, gebe aber dann auf, und letztlich werde ich mit einem Rollstuhl in ein Wartezimmer mit lauter Rollstuhlfahrern geschoben.

Jetzt habe ich erstmals Gelegenheit meine sichtbaren Wunden etwas genauer zu betrachten. Im Arm stecken immer noch jede Menge Steinchen, am Po sieht es wohl ähnlich aus, jedenfalls ist da auch ein großes Loch in der Radhose.

Ich werde ungeduldig und frage in perfektem Spanisch nach einem Lappen und Wasser, denn schließlich muss man so Wunden doch schnell reinigen. Die gucken mich böse an, weil ich schon wieder aus dem Rollstuhl aufgestiegen bin, dann bekomme ich aber ein paar Kompressen in die Hand gedrückt. Mit denen versuche ich grob was zu reinigen, allerdings recht erfolglos.

Ein netter älterer Mann mit MP3-Player im Ohr steht auf und versucht mir wortreich zu erklären, dass ich schon Wasser zum Reinigen benützen müsste, und zeigt mir sogar wo es welches gibt. So stöhne ich in einem Nebenraum des Wartezimmers laut vor mich hin beim Versuch irgendwas zu reinigen, tut höllisch weh, letztlich lege ich die Kompressen auf die Stellen, die ich sehen kann. So wird auch das Loch in meiner Radhose endlich geschlossen. Als ich zurückkomme ist mein Rollstuhl weg. Wer hat sich denn den unter den Nagel gerisssen?

Egal, ich nerve, wie lange es denn noch dauert. Ich glaube irgendwie „pico“ zu verstehen. Dann komme ich endlich dran. Eine junge Ärtzin, die immerhin ein paar Brocken englisch spricht und ein junger Pfleger, der ein bisschen mehr englisch spricht als Übersetzer kümmern sich um mich.

Erst Begutachtung, alle sichtbaren Verletzungen sind nur Hautverletzungen, das ist im Prinzip gut, allerdings sei es so, dass genau die sehr schmerzhaft seien, das ist im Prinzip schlecht. Naja, bis jetzt geht es noch. Gebrochen ist gefühlsmäßig nix, wir einigen uns darauf auf das Röntgen zu verzichten.

Dann kommt die zweite Begutachtung, die mit einer ersten Reinigung einhergeht. Scheiße das tut aber weh. Ich liege da so auf dem Bauch auf der Liege, und habe irgendwie das Gefühl jetzt gibt es gleich eine angenehme Massage, da macht die in den Wunden rum wie beim Staubwischen, und mit irgendwas was elend brennt. Aber eigentlich geht es dann noch.

Ich sehe auf jeden Fall noch besser aus als mein Fahrrad…

Dann allerdings „oh, this is deep, we have to close a gap in your ass!“. Ah ja, wenn ich das richtig deute heißt das, dass die jetzt mit Nadel und Faden an meinem allerwertesten rummachen… Ich Idiot bin selbst schuld, wie kann ich mich da so verschätzen. War aber auch ne fiese Kurve und die ist irgendwie auch noch zur Seite weggeklappt.

Am Arm ist es auch etwas „deep“, was die genau machen kann ich nicht sagen und will es gar nicht recht wissen, jedenfalls wird es vorher betäubt.

Zum Abschied gibt es eine Hand voll Ibuprofen, und dann versuche ich noch meine normalen Klamotten anzuziehen, die ich mir mitgebracht hatte. Das dauert sage und schreibe über eine viertel Stunde. Dann sehe ich aber aus wie neu. Bezahlen muss ich nix, die werden mir schon eine ordentliche Rechnung schicken.

Mit dem Taxi geht es dann zurück ins Hotel. Mein Urlaub ist damit gegessen. Am Montag muss ich zum Verband wechseln, sinnvollerweise in Deutschland.

Also Almeria gecancelt, kein Cala Alto, kein Velefique und auch kein Angriff auf die 3 Stunden für die Standardvariante zum Pico Veleta. Jetzt erscheint es mir völlig grotesk, dass ich da neben meinem zerstörten Fahrrad gestanden habe und über ein Leifahrrad nachgedacht habe…

Wenn ich Profiradfahrer wäre und das wäre in der Tour de France passiert, säße ich morgen wieder auf dem Rad. Wegen meiner Karriere, wegen dem Team, wegen dem Geld, um vielleicht als tragischer Held zu scheitern und meinen Bekanntheitsgrad zu steigern.

Aber zum Glück bin ich nur ein Freizeitfahrer. Ich hatte bis jetzt eine fantastische Woche, mit dem sensationellen Tag am Mont Ventoux und den drei fantastischen Auffahrten zum Pico Veleta, inkl. wolkenfreier Rundumsicht heute. Alles andere als jetzt nach Hause fahren und versuchen gesund zu werden wäre dämlich.

So storniere ich, auch wenn es etwas weh tut Almeria und die letzte Nacht hier in Granada. Stadtrundfahrt hatte ich ja heute mit dem Taxi (das Hospital liegt auf der anderen Seite der Stadt). Und so einen brutalen Sturz, so halbwegs unversehrt zu überstehen ist irgendwie auch ein spektakulärer Saisonabschluss.

Ich mach mir nur etwas sorgen über 20 Stunden Autofahrt mit einer „closed gap in the ass“…

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2 Kommentare

  1. Anonymous 4. Oktober 2011

    Gut nach Hause gekommen gekommen ?
    Ich lese Ihr Blog sehr gerne, hoffentlich gute Besserung.
    C.

  2. Guido 4. Oktober 2011

    Danke für die Besserungswünsche! Ich habe wirklich Glück gehabt, und hoffe bald wieder auf dem Rad sitzen zu können.

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