steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

Trainingslager Rhön/Glockner Tag 7

Auch beim Frühstück heute morgen trifft mich die schlechte Laune der Hotelbelegschaft. Wirklich krass. Erst als ich mich beschwere, dass das Teewasser kalt ist huscht so etwas wie ein Lächeln über das Gesicht der Bedienung. Es ist mehr ein Grinsen nachdem Motto „wie blöd kann man denn sein das Wasser aus dem falschen Behälter zu ziehen“, klar hätte ich mir ja auch denken können, dass der Behälter wo „Heißes Wasser – Tee“ drauf steht eben gerade nicht das Teewasser enthält…

Naja, dann seit halt unfreundlich ist mir auch egal, meine Laune ändert das nicht. Die ist weder gut noch schlecht. Um halb neun sitze ich auf dem Rad. Es regnet. Und da ich nur die Softshelljacke genommen habe, weil die wärmer ist als die Regenjacke, bin ich recht schnell komplett durchnässt. Ich versuche das einfach zu ignorieren, was auch ganz gut gelingt, denn erstens ist es nicht so kalt, in Fusch sind es immerhin noch 11° C, und zweitens sind meine Füße noch warm und trocken, die neuen Überschuhe scheinen sich zu bewähren.

Dann fängt hinter dem Bärenwerk die Steigung an. Über den Unterschied zwischen Anstiegen im Mittelgebirge und fahren von Alpenpässen bzw. -straßen habe ich mich ja schon oft ausgelassen, aber es in der Praxis zu erfahren ist immer wieder beeindruckend. Oder wie auch immer man das nennen mag…

Da ich die Trainingslaufräder (Aksium von 2007 mit 25er Conti GP 4000S) drauf habe und da die 30er Tiagra Kassette drin ist, fehlen mir zwei Zähne zu meiner gewohnten Bergübersetzung. Geser schreibt in seinem Pässebuch irgendwo ein, zwei Zähne mehr oder weniger würde man nicht merken, das wäre nur Psychologie.

Mit Verlaub, der Typ hat echt keine Ahnung. Ist nicht böse gemeint, ich finde seine Passbücher klasse und benutze sie für unbekannte Anstiege zur Orientierung, Festlegen des Übernachtungsortes und auch um mir neue Ziele auszusuchen. Aber wenn es um Übersetzungen und sowas geht, dann schreibt der nur so altes Radlerlatein á la „dicke Gänge“ und so.

Der mag ja wegen mir mit 39-26 die Berge hochschleichen, aber mit den o.g. 34-30 muss ich bei 12% Steigung und 70er Trittfrequenz auf meinem Fahrrad und bei meinem Gewicht ca. 330 Watt leisten. Bei 60er Trittfrequenz und 11% Steigung sind es immer noch ca. 280 Watt. Das ist mal an einer Kuppe kein Problem. Aber hier am Glockner hat man das ab der Mautstation über 13 Kilometer fast durchgehend (in den Serpentinen hat man ein paar Meter Erholung und bei der Mitteralm und der Piffkar hat man kurze Erholungsstücke).

Also die zwei Zähne bringen sehr wohl noch was, man kann nämlich die gleiche Leistung mit höherer Trittfrequenz erbringen und so etwas Kraft sparen, denn es gibt wohl kaum eine nennenswerte Zahl an Freizeitradlern die 400 Watt oder auch nur deutlich über 300 Watt an der anaeroben Schwelle treten.

Aber diese Gedanken zur Bergübersetzung gehen mir beim Aufstieg gar nicht durch den Kopf, ich merke halt, dass ich deutlich unter der Trittfrequenz bleiben muss bei der ich mich am wohlsten fühle, und meine Beine fühlen sich sowieso „schlecht“ an. Ich mache mir mehr Gedanken darüber ob ich überhaupt hochkomme. Der erste Pass im Jahr fühlt sich einfach immer scheiße an!

Noch vor der Mautstation gibt es eine längere Baustelle, aber zum Glück habe ich grün. Und nach ca. 46 Minuten erreiche ich die Mautstation Ferleiten. Beim Glocknerkönig müssen daraus so ca. 32 Minuten werden.

Auf der Radlerspur gibt es eine Neuheit, man fährt jetzt in so eine kleine Schleuse rein und muss auf einen Knopfdrücken um den Schleusenausgang zu öffnen. Man kann sein Geld natürlich auf vielfältigste Weise verschwenden, aber das ist schon ziemlich dämlich. Wahrscheinlich ein Überbleibsel von der Idee auch den Radfahrern Mautgebühr abzuknöpfen (das wurde zum Glück nach Protesten verworfen. Nicht das mich die Gebühr abgeschreckt hätte, aber dann müsste man ja STEHENBLEIBEN).

Nach der Mautstation geht es gleich mit 12% Steigung los. Ist schon irgendwie sauanstrengend. Ich schaue halt immer nach den Kilometersteinen, die hier alle 200 Meter stehen. Manchmal muss ich ganz schön kämpfen, aber alles noch im Rahmen, ich wusste ja dass die erste Auffahrt im Jahr hart wird.

Insgesamt berührt mich das „in den Alpen fahren“ momentan noch nicht sehr. Recht emotionslos „trainiere“ ich, für die Beine bleibt das gleich, aber im Kopf fühlt sich das anders an. Ich finde das aber gerade völlig in Ordnung. Allerdings habe ich etwas Zweifel, dass ich mein heutiges Trainingsziel, nämlich bis zum Hochtor und dann zurück zur Edelweißspitze zu fahren, erreiche.

 
Da mir die Glocknerstraße mittlerweile doch recht vertraut ist, weiß ich auch grob wo die fiesen Stellen sind und wo man mal ein paar Sekunden verschnaufen kann (jedenfalls wenn man nicht gerade den Glocknerkönig fährt). Die fiesen Stellen sind auch heute fies, und ab ca. 2000 Metern wird’s einerseits recht kühl, andererseits kommen einige längere 12% Stücke. Die Trittfrequenz fällt teils unter 60, so dass das Ganze zu einem echten Gegurke ausartet, aber egal ich komme durch diese Passagen hindurch. Die Knie grummeln manchmal etwas, aber alles noch im grünen Bereich.

Schon seit geraumer Zeit hatte es aufgehört zu regnen, hier oben fahre ich aber in einer Wolke, so dass die Feuchtigkeit sich auf die Kleidung setzt und außerdem sieht man recht wenig. Die nasse Kleidung macht nicht so viel aus, denn erstens ist es beim Aufstieg eh immer warm und zweitens ist es erstaunlich windstill. Nur an manchen Stellen ab 2000 Metern pfeift der Wind mal heftig rein.

Nachdem ich das obere Naßfeld überwunden habe bin ich zuversichtlich zumindest das Fuscher Tor ohne Pause zu erreichen, nehme mir aber fest vor bis zum Hochtor durchzuziehen. Die Edelweißspitze habe ich mittlerweile gedanklich gestrichen.

An den kleinen 12% Stichen kurz bevor es in die Schlussgerade zum Fuscher Tor geht muss ich nochmal richtig kämpfen, aber dann ist das Glocknerkönigziel erreicht. Ein Foto mach ich zwar, ziehe aber durch in die kleine Zwischenabfahrt zur Fuscher Lacke hinunter. Dabei bläst der Wind heftig und saukalt

Aber gleich geht es wieder berghoch, so dass ich mechanische Energie in Wärme umwandeln kann. Nach dem ersten Tunnel bläst der Wind teils sehr böig und heftig von der Seite, allerdings unterstützt er mich auch an manchen steilen Stücken. Und diese Unterstützung kann ich auch gebrauchen.

Bis zum Hochtor sind nochmal ein paar recht steile Passagen zu überwinden. Aber die gehen auch noch, und so erreiche ich schließlich das Hochtor. Im Tunnel ist es recht nass und einige interessante Eisformationen haben sich an der Tunnelwand gebildet. Ich singe „Crying in the rain“ warum auch immer, vielleicht weil alles so nass ist.

Am anderen Ende des Tunnels gibt es das obligatorische Passschildfoto. Ich trinke dort aber keinen Cafe, ich fahre lieber gleich wieder zurück, denn trocken werde ich auch in dem Restaurant nicht, da kann ich auch gleich frieren.

Und so ist es auch, die Abfahrt bis zur Fuscher Lacke ist elend kalt, es sind so knapp 2° C und ein heftiger böiger Wind pfeift entweder von der Seite oder von vorne. Andere Radfahrer habe ich keinen einzigen gesehen, nicht mal einen Mountainbiker, aber die Bedingungen sind noch im Rahmen, da hatte ich schon bedeutend schlechteres Wetter, ganz zu schweigen von meinen Schneeabenteuern am Iseran und Stilfser Joch.

Der Gegenanstieg zum Fuscher Tor ist anstrengender als gedacht, trotzdem biege ich automatisch in Richtung Edelweißspitze ab. Also das war doch letztes mal gar nicht so schlimm.

Dieses mal aber schon. Irgendwie ist es heute richtig anstrengend. So muss sich Marco letztes Jahr gefühlt haben, die 14% Stücke hoch muss ich richtig kämpfen, und der gesamte Anstieg fühlt sich dreimal so lange an wie letztes Jahr.

Aber auch da komme ich noch hoch. Kurzes Foto und dann geht es gleich zurück in die Abfahrt. Zwar hatte ich kurz über einen Germknödel nachgedacht, aber ich habe keine Lust mit nassen Klamotten da zu sitzen und zu frieren, außerdem hüllt eine dichte Wolke alles ein und die Sicht ist gleich Null.

Die Abfahrt ist trotz der nassen Klamotten ok, denn die Temperatur ist etwas gestiegen. Und je weiter runter ich komme, desto wärmer wird es. Nachdem ich einige der Testautos und Erlkönige, die hier heute in Scharen unterwegs sind, überholt habe kommt sogar kurz die Sonne raus. Da die Strecke aber noch nass ist fahre ich eher gemächlich bergab.

Erst hinter der Mautstation gibt es komplett abgetrocknete Straßenabschnitte, bis ab dem Bärenwerk die Straße komplett trocken ist.

Der letzte flache Abschnitt zieht sich noch einmal etwas, ich sehne mich schon sehr nach der Dusche. Im Hotel angekommen bin ich aber letztlich ganz zufrieden. Trainingsvorgabe umgesetzt, und das schöne Berge Gefühl stellt sich so langsam auch etwas ein.

Nach der ersehnten Dusche fahre ich die Glocknerstraße gleich nochmal hoch. Diesmal aber mit dem Auto. So kann ich mein Mittagessen im Restaurant Fuschertörl in trockenen Klamotten genießen, den Blogeintrag dabei schreiben und einen Kaiserschmarrn gibt’s auch noch.

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