steilberghoch

Ultracycling und Alpenpaesse

Trainingslager Teneriffa 2017 – Tag 7

Heute steht die erste „Königsetappe“ auf dem Programm. D.h. Höhenmeter satt und fünfeinhalb bis sechs Stunden. Da man hier auf Teneriffa die Höhenmeter nicht so richtig gut dosieren kann, beschließe ich zwei Teide Auffahrten (und die entsprechenden Abfahrten) zu kombinieren. Dann kann ich nach der ersten Abfahrt eine kleine Pause mit Nahrungsaufnahme und Flaschen befüllen einlegen. D.h. aber auch, dass ich zeitig los muss damit ich vor Einbruch der Dunkelheit vom Berg wieder runter bin.

Es gibt keine Notfallabkürzung oder ähnliches, ich muss also auf jeden Fall durchziehen. Da ich auch mein Rücklicht auf einem ruppigen Abschnitt der TF-28 verloren habe, wäre es wirklich gut noch im Hellen am Hotel anzukommen.

Für die erste Auffahrt von Süden aus entscheide ich mich zunächst für die TF-66 bis Valle de San Lorenzo. Dort fahre ich dann ein Stück in Richtung Los Christianos um in La Camella auf die TF-51 abzubiegen. Ab dort geht es dann erst mal nur noch bergauf.

Die Beine funktionieren gut. Ziemlich konstant im G2 Bereich kurbele ich bergauf. Katrin begleitet mich zunächst und lauert mit der Kamera an markanten Stellen. Ich habe zwei Gels dabei und drei Liter Wasser bzw. Iso-Getränk.

Die Temperaturen sind angenehm kühl, dabei ist der Himmel wieder klar. Die Kilometer fließen ganz gut dahin. Zunächst muss ich heute erst mal von ca. 50 Kilometern bergauf ausgehen, da ich nicht den kürzesten Weg gewählt habe.

Arona ist noch relativ schnell erreicht, von dort bis Vilaflor zieht es sich aber schon etwas, auch wenn die Beine gut funktionieren. Heute ist recht viel Verkehr bergauf, auch die Motorradfahrer sind jetzt unterwegs und überholen mich mit teils halsbrecherischer Geschwindigkeit. Wenn die nur nicht so laut wären und so stinken würden. So habe ich jedesmal minutenlang den Geruch von verbranntem Öl in der Nase.

Anyway, Vilaflor kommt näher und die Form stimmt. Ich biege ab auf die TF-21 und weiß, dass es jetzt nur noch ca. 11 Kilometer bis zur ersten Zwischenabfahrt sind. Die Temperaturen bleiben angenehm kühl, ab und zu überhole ich einen anderen Rennradfahrer, manchmal auch nur einen Mountainbiker, aber die geben immer schöne Motivationsziele ab.

Ich mag den offenen Kiefernwald hier oben und hoffe, dass ich insgesamt nicht viel mehr als drei Stunden bis zur Seilbahnstation brauche, schließlich muss ich ja sehen, dass ich auch die andere Seite noch rechtzeitig schaffe.

Aber die Beine funktionieren nach wie vor, der Campingplatz Las Lajas ist schneller erreicht als gedacht und kurz darauf geht es erstmals für heute bergab. Ich kann auch abwärts noch etwas Druck machen. Nach der nächsten Kurve muss ich das dann auch, denn der Wind bläst ganz ordentlich entgegen.

Im Auflieger fahre ich durch die Hochebene und freue mich als der Asphalt mit den Querfugen von der recht frischen Teerdecke ab Kilometer 49 der TF-21 abgelöst wird.

Kurz darauf beginnt die Steigung in Richtung Hotel Parador und nachdem diese bewältigt ist, gilt es die lange Gerade auf den Teide zu zu bewältigen. Der Wind macht es nicht einfacher und ich muss viel in der Mitte der Straße fahren, weil rechts doch einige Senken sind, denen man ausweichen muss.

Nachdem die Straße dreht kommen nochmal zwei anstrengende Kilometer, dann ist der Abzweig zur Seilbahnstation erreicht. Natürlich fahre ich bis hoch, schließlich will ich den Anstieg ja auch zu Ende fahren.

Dort halte ich nicht an, sondern fahre gleich wieder runter und wieder zurück auf die TF-21. Weiter führt die Strecke durch die Hochebene. Dieser Streckenabschnitt ist erstaunlich lange, und so muss ich mich noch ca. 10 Kilometer gegen den Wind vorwärts arbeiten bis der Abzweig zur TF-24 erreicht ist. Ich bleibe aber auf der 21 und fahre direkt in die Abfahrt.

Katrin ist immer noch in der Nähe und fährt jetzt hinter mir den etwas ruppigen ersten Abschnitt der Abfahrt. Bis jetzt hatten wir nur strahlenden Sonnenschein bei angenehm kühlen Temperaturen. Man kann von hier aber die Wolken schon sehen die den Norden der Insel bedecken.

Die Abfahrt ist nicht sehr schnell, aber durch die Teils heftigen Querfugen und gelegentlichen Senken muss man doch recht aufmerksam fahren. Dann erreiche ich die ersten Wolken und tauche schließlich in das Wolkenmeer ein. Wie Nebel liegen die Wolken am Hang und die Sicht nimmt rapide ab. Die Feuchtigkeit setzt sich auf allem ab und durch meine Brille sehe ich nicht mehr richtig viel.

Ich kann es nicht riskieren ein Foto zu machen, dafür fordert die Abfahrt zuviel Konzentration. Auch weil ich jetzt hinter drei lahmen Autos festhänge und einen sicheren Weg zum Überholen suche. Bei Sichtweite von unter 50m und wenig kooperativen Autofahrern kein leichtes Unterfangen. Nach einer gefühlten Ewigkeit gelingt es mir dann doch vorbeizukommen.

Die Temperatur ist auf ca. 7° C gesunken, zusammen mit der Feuchtigkeit werden vor allem die Hände ordentlich gekühlt. Die Abfahrt zieht sich sehr. Ich bin wirklich erstaunt als ich lesen muss, dass Puerto Cruz immer noch fast 20 Kilometer weg ist.

Aber schließlich habe ich immerhin La Orotava erreicht. Hier herrscht jetzt wieder wilder Verkehr und durch die Einbahnstraßen ist es mir nicht möglich auf der TF-21 zu bleiben. Ich verfahre mich kurz und fahre dann aber ein kurzes Stück über die Autobahn bis zur nächsten Abfahrt. Dort geht es über die TF-31 bis hinunter an die Küste wo ich Katrin nach etwas Telefonieren finde, so dass sie mich beim Carboloading mit Kuchen und Cafe con Leche unterstützen kann…

Ein Garnelenomelette und zwei frisch gepresst O-Saft gibt es auch noch, schließlich muss ich für den zweiten Aufstieg laden. Gerne wäre ich noch etwas sitzen geblieben, obwohl es sehr kühl und windig ist. Aber ich schätze mal, dass ich für den zweiten Teideanstieg drei bis dreieinhalb Stunden brauche, und dann muss ich ja noch runter. Es geht also nur knapp auf mit dem Tageslicht.

In einem Supermarkt fülle ich noch die Flaschen auf und kaufe mir ein Brötchen und ein Notfallsnickers. Einen zweiten Hungerast brauche ich nämlich keinen…

Das erste Stück führt über die belebte TF-31 durch einen Tunnel. Es herrscht recht viel Verkehr und mit vollem Bauch fällt das Klettern erst mal nicht so leicht, aber die ersten vier Kilometer sind dann doch recht flott zurückgelegt und wieder geht es ein paar Meter über die Nordautobahn. Ist aber gar kein Problem, da die Auffahrt gleich zur Abfahrt wird, so dass man da problemlos radeln kann.

Jetzt steigt die Straße an und über die TF-211 geht es in Richtung La Orotava. Recht schnell komme ich wieder in den Klettermodus. Die Beine treten recht konstant soliden G2 Bereich. An den kleinen etwas steileren Stichen in den Ort hinein kann ich auch gut zulegen.

Obwohl La Orotava ein interessanter Ort zu sein scheint, bin ich froh als ich den lebhaften Verkehr etwas hinter mir lassen kann. Noch fährt man unter den Wolken, das heißt es ist nicht so nass. Kühl und windig ist es schon, aber das ist mir nur recht.

So schraube ich mich weiter nach oben bis die Wolkengrenze erreicht ist. Jetzt sehe ich gar nichts mehr durch die Brille und stecke sie an den Helm. Allerdings macht es mir Spaß durch diese Suppe zu fahren. Es ist zwar nass und kalt, aber die Beine funktionieren, die Leistung kommt konstant, ich komme in einen schönen Rhythmus.

Die Kilometer fließen, langsam, aber sie fließen. Noch 30 Kilometer bis zum Teide, noch 28, läuft gut. Ich trete jetzt so um 300 Watt, es sind recht wenig Autos unterwegs. Eigentlich hätte ich jetzt gerne mein Rücklicht angemacht, aber das liegt zersplittert auf der TF-28…

Kilometer um Kilometer arbeite ich mich vorwärts, noch immer fahre ich in den Wolken. Dauert ganz schön lange. Hoffentlich kann ich weiter so durchziehen, bis zur Seilbahnstation ist noch ganz schön weit. Kilometer 20 der TF-21 habe ich passiert, es sind also noch über 22 Kilometer bis dorthin.

Katrin ist eine andere Strecke zurückgefahren, Supportfahrzeug habe ich also für den Notfall keines. Anyway, ich arbeite mich weiter nach oben. 1300 Meter, 1350 Meter, jetzt scheint die Wolkendecke aufzubrechen. Und dann geben die Wolken den ersten dunstigen Blick auf den Teide frei.

Cool, jetzt kann ich bald in der Sonne fahren und ein bisschen trocknen. Nach einem weiteren Kilometer fahre ich komplett in der Sonne, und je nachdem wie die Straße dreht bieten sich immer wieder Blicke auf das Wolkenmeer und den Teide. Ich will eigentlich ein Gel nehmen, aber das ist so tief in der Trikottasche versteckt, dass ich eine Hälfte vom Notfallsnickers esse.

Snickers ist keine gute Idee auf dem Rad, geschmolzene Schokolade in durchgeschwitzter Verpackung, entsprechend klebrig sind nach zwei Bissen Lenker und Griffe. Richtig geil schmeckt es auch nicht, dass ich früher manchmal solchen Schrott als Pausenbrot dabei hatte war auch dämlich. Heute weiß man‘s besser. Allerdings ist meinem Körper völlig Schnurz woher er gerade seine Kohlenhydrate zieht, und so klappt es auch mit dem Snickers. Die Beine arbeiten weiter brav im G2.

So langsam könnte der erste Teil des Anstiegs ja mal zu Ende gehen. Ich liege glaube ich ganz gut in der Zeit um die drei Stunden zu schaffen, aber könnte jetzt auch mal eine flache Gerade mit Rückenwind vertragen. Aber das dauert noch.

1600 Meter sind erreicht, jetzt kommen immer wieder recht lange Geraden. Die gleichen sich so sehr, dass ich nur denke „nicht schon wieder“. Allerdings zählen die Kilometer hoch und nach 28 und 29 zeichnet sich das Ende des ersten Teils ab. Kilometer 30, noch eine Kurve, ok noch eine Kurve, und noch eine Gerade, Kilometer 31, jetzt aber, nee, noch eine Kurve, dann aber endlich das Nationalparkschild. Jetzt muss bald der Abzweig zur TF-24 kommen. Kommt auch. Es wird nochmal kurz steiler und ich fahre am Restaurant vorbei, wo ich vor drei Tagen völlig am Ende auf dem Asphalt lag.

Diesmal versuche ich etwas Druck zu machen, ich möchte gerne die Dreistundenmarke unterbieten. Allerdings sind es noch gut zehn Kilometer, die jetzt aber etwas flacher sein sollten. Vorerst mal geht es aber noch ein Stück bergauf. Erst ab dem Papillon und der kleinen Gebäudeansammlung geht es gerade mit Rückenwind voran.

Das dauert aber nicht lange. Denn nun geht es nach einer Linkskurve in Richtung Süden bergauf, Rechtskurve geradeaus, Linkskurve bergauf usw.

Die Kilometer fließen extrem zäh. Zwar habe ich ab und zu Rückenwind, dann aber bläst der Wind unerwartet entgegen. Ich beschließe die zweite, nicht minder klebrige, Hälfte des Snickers auch noch zu essen. Schneller macht mich das nicht.

Vor allem merke ich so langsam die kumulierte Gesamterschöpfung, ich nähere mich sicher der 5000 Höhenmeter Marke. Das macht sich vor allem mental bemerkbar. Obwohl ich genau weiß wieviel Kilometer es noch sind, bin ich doch jedesmal enttäuscht, wenn nach einer Rechtskurve nur die nächste Links mit dem entsprechenden Anstieg folgt.

Ich muss mal kurz laut schreien, gegen den Wind, gegen den Berg, gegen das endlose Gekurbel. Dann geht‘s aber wieder.

2210 Meter über Meereshöhe fahre ich nun, noch zwei Kilometerchen. Auch die ziehen sich, aber dann endlich sehe ich die Seilbahnstation und es geht noch ein Stück bergab, bevor ich in den kleinen steilen Stich abbiege. Natürlich fahre ich bis oben hin. Deutlich unter drei Stunden, sehr geil. Ich halte ganz kurz um das Wasser aus der Trikotflasche umzufüllen, damit ich in der Abfahrt bequemer trinken kann.

Die Sonne steht tief, aber ich liege super in der Zeit, es ist noch nicht mal sechs Uhr. Es ist schon recht frisch, aber die Jacke, die ich nicht dabei habe, hätte ich sowieso nicht angezogen, denn im Gegenanstieg hätte ich sie eh wieder ausgezogen.

So sind die ersten Kilometer bergab nun recht kühl, aber die Fahrt macht Spaß, vor allem da ich sehr zufrieden mit der zweiten Auffahrt bin. Durch die Ebene hindurch versuche ich im Auflieger Druck zu machen, was noch einigermaßen gelingt, dann geht es am Abzweig zur TF-38 vorbei in den Gegenanstieg.

Der Anfang geht, aber ich bekomme erstaunlich starken Gegenwind. So muss ich auch hier nochmal richtig arbeiten. Ich trete nur noch G1, aber an manchen Stellen reicht das nicht, so dass ich nochmal etwas zulegen muss. Ich zähle die letzten 4000 Meter Anstieg herunter, klingt einfach besser als 4 Kilometer.

Aber dann geht es endlich richtig bergab. Die Strecke ist mir jetzt ja wohlbekannt und oben kann man ziemlich locker ohne viel bremsen fahren. Ich habe aber kurz vor der Abfahrt noch das zweite Gel genommen, denn schließlich muss ich auch in der Abfahrt noch konzentriert sein und genügend Power haben um heil runterzukommen.

Die Abfahrt ist schön, zieht sich aber trotzdem. Vor allem wird es nicht wärmer. Jetzt wäre eine Jacke doch ganz angenehm. Schon bis Vilaflor zieht sich die Strecke. Die Hände tun mittlerweile etwas weh, ich bin platt, durch die Brille sehe ich nur wenig, die ist ziemlich verschmutzt, und die Sitzfläche hat irgendwie auch genug.

Im Ort wähle ich dann den kürzesten Weg nach unten über die TF-563. Bis San Miguel sind es 10 eher steile Kilometer. Da ich nicht mehr viel durch die Brille sehe erwische ich einige Senken und Querfugen heftig, so dass die Sitzfläche nicht besser wird. Ich mag aber auch nicht langsamer fahren, denn ich will nur noch ins Hotel. Mir ist jetzt kalt.

Die Hände werden etwas taub durch die lange, kalte Abfahrt, so wähle ich auch in San Miguel die kürzeste Strecke zur Costa del Silencio. Auch hier ist es nicht so warm wie erwartet, aber nun bin ich ja bald unten. Nochmal gebe ich Gas, mit dem was jetzt noch in den Beinen steckt.

Ein Stück ruppige Straße auf den Schleichwegen muss ich noch wegstecken, dann folgen die letzten Kilometer und ich rolle zum Hotel.

Was für ein heftiger Tag. Das war wirklich eine Königsetappe. In der Auswertung zeigt sich, dass es fast ein Ötztaler geworden ist, über 5200 Höhenmeter auf gut 200 Kilometer. Insgesamt saß ich neun Stunden im Sattel, damit habe die Trainingsvorgabe doch etwas überzogen. Dafür muss ich morgen umplanen, kann mich aber bei einer kurzen Etappe dann wieder erholen.

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